Haie – faszinierend und bedroht: Wir haben eine Haiforscherin interviewt

Haie wie der Weiße Hai sind Stoff für Geschichten und Mythen. Meeresbiologin Kristina Loosen hat sich ganz diesen Tieren verschrieben. Mit modernsten Methoden erforscht sie die Haibestände vor Südafrika. Im Interview verrät die Forscherin uns allerhand Wissenswertes über die faszinierenden Raubfische.

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Der Weiße Hai: Majestätisch, gefürchtet, vom Aussterben bedroht.

Heute ist es genau 50 Jahre her, dass Stephen Spielberg’s ikonischer Film „Jaws“ („Der Weiße Hai“) in den Kinos anlief. Auch nach 5 Jahrzehnten ist der Hai ein Tier, das stark polarisiert. Doch, mittlerweile weiß man auch um die große Wichtigkeit der Raubfische für unsere Meeres-Ökosysteme. Für Angler in entsprechenden Revieren, wie etwa Florida, ist der Hai heute teils sogar ein gefragter Zielfisch oder auch einfach Teil des Spiels. Wenn man in Regionen mit vielen Haien im Meer angelt, kommt es schonmal vor, dass ein Hai sich seinen Anteil holt und einen Fisch vom Haken klaut. Fast schon scherzhaft spricht man dann vom „Taxman“ (Steuer-Eintreiber).

Das Meer ist das Revier der Haie, dass muss man sich immer vor Augen halten. Leider sind viele Hai-Arten stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Bei manchen Arten gingen die Bestände um bis zu 90% zurück! Zum Glück gibt es Menschen, die sich der Erforschung und dem Schutz der faszinierenden Raubfische verschrieben haben. Menschen, die regelmäßig unter und über Wasser Zeit mit den Haien verbringen. Zu diesen Forschern gehört Meeresbiologin Kristina Loosen. Sie befasst sich mit den Haipopulationen in Südafrika, einem echten Hot-Spot für Haie und viele andere Meeresbewohner.

Bild: K. Loosen

Kristina Loosen widmet sich als Meeresbiologin mit Leidenschaft der Erforschung der Hai-Bestände in Südafrika.

Redaktion Blinker: Die Arbeit mit Haien ist zweifelsfrei ein sehr ungewöhnlicher Beruf. Was hat dich dazu gebracht, dich mit der Erforschung von Haien zu beschäftigen? Was fasziniert dich an diesem Tier?

Kristina Loosen: Ich kann mich noch gut daran erinnern, wann die Faszination mit Haien bei mir angefangen hat. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich zusammen mit meinem Vater viele Naturdokumentationen geschaut. Darunter auch viele Dokumentationen über das Meer und seine Bewohner. Die Unterwasserwelt war so faszinierend für mich und vor allem Haie hatten meine Neugierde und mein Interesse geweckt. Viele Leute fragen mich, was mich an Haien so fasziniert. Manchmal ist es schwierig es in Worte zu fassen. Aber eines sage ich immer, die Art wie sich Haie bewegen ist unfassbar majestätisch und strahlt eine ruhige Kraft aus.

Die langsamen Bewegungen der Schwanzflosse und das Balancieren im Wasser durch die Brustflossen ergeben eine fließende Bewegung. Man kann daher auch sagen, dass mich die Anatomie dieser Tiere sehr fasziniert. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie in der Evolutionsgeschichte älter ist als Bäume. Die ersten Haiarten entwickelten sich vor 420 Millionen Jahren. Und seit 200 Millionen Arten hat sich der „Grundbauplan“ kaum verändert. Der Gedanke, dass diese Tiere so perfektioniert sind, fasziniert mich sehr. Für mich gibt es kein besseres Gefühl als im Meer zu sein und Haie zu sehen. Es löst eine Ruhe und gleichzeitig eine Euphorie in mir aus, die mir immer wieder bestätigt, dass ich den richtigen Weg für meine Karriere gewählt habe. Für mich gibt es nichts Schöneres als den Weißen Hai (Carcharodon carcharias).

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Der Weiße Hai ist ein faszinierendes Tier. Generell ist der Hai ein erfolgreiches Konzept in der Evolutionsgeschichte – seit etwa 200 Millionen Jahren haben sich die Haie in ihrem Grundbauplan nur wenig verändert!

Redaktion Blinker: Haie genießen (leider) immer noch einen schlechten Ruf bei vielen Menschen. Aber warum sind Haie eigentlich wichtig für unsere Meere?

Kristina Loosen: Auch diese Frage erhalte ich oft und oft auch „Warum sollten wir Haie schützen?“. Es gibt viele Gründe weshalb Haie wichtig sind für die Meere. Jedoch sage ich auch oft bei dieser Frage, warum „erdreisten“ wir uns als Menschen, zu entscheiden was wichtig ist zu erhalten und was nicht?! Ich denke, alles Leben hat seinen Sinn und Zweck. Die Evolution hat uns immer wieder gezeigt: Jedes noch so kleine Lebewesen hat eine Aufgabe. Nun sind es wir Menschen, die entscheiden dürfen, welche wir versuchen zu retten und welche nicht? Wiederum, ja, es gibt Arten in einem Ökosystem und Nahrungsnetz die wichtiger sind als andere. Die wichtigen Arten sind sogenannte „Key species“. Haie, oftmals Top-Prädatoren (Apex predators) in ihrem bestimmten Ökosystem, sind nicht selten auch „Key species“ und daher von äußerster Wichtigkeit. Ein gutes Beispiel sind Tigerhaie (Galeocerdo cuvier), die Grüne Meeresschildkröten (Chelonia mydas) jagen und essen. Ohne diese Haie würden die Seegraswiesen von den Meeresschildkröten komplett abgegrast werden, das wäre verheerend für das Ökosystem. Ein anderes Beispiel erleben wir gerade live in Südafrika. Seit 2017 sind die Weißen Haie von verschiedenen Küstenabschnitten verschwunden, wo sie sonst regelmäßig im Winter (Südhalbkugel) in großen Zahlen aufgetreten sind. Die Sichtungen nahmen in den Jahren zuvor schon ab, doch dann nach 2017 gingen die Zahlen gegen Null.

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Haie sind wichtig für die Gesundheit der Ökosysteme, als Top-Räuber entfernen sie kranke oder schwache Tiere und halten das Gleichgewicht aufrecht.

Es gibt viele verschiedene Hypothesen, weshalb die Weißen Haie nicht mehr an diesen Küstenabschnitten zu finden sind. Unter anderem ist eine Hypothese, dass die Zahl der Weißen Haie in Südafrika so weit dezimiert wurde, dass die Population vorm Kollabieren steht und wir daher weniger Haie sehen (Andreotti et al. 2016). Eine andere Hypothese ist, dass Orcas, die Jagd auf Weiße Haie machen, dazu geführt haben. Es ist bestätigt, dass seit 2017 Orcas vermehrt Jagd auf Weiße Haie machen in Südafrika. Fakt ist auch, dass nach einem Angriff Wochen oder nun mittlerweile Monaten kein Weißer Hai mehr gesichtet wurde (Towner et al 2023). Eine weitere Hypothese besagt, dass die Haie sich eher nach Osten verzogen haben und dort nun in vermehrter Zahl auftauchen.

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Wenn es um Weiße Haie geht, machen Orcas ihrem Namen „Killerwal“ alle Ehre, denn sie jagen und töten gezielt die großen Raubfische.

Es ist schwierig mit Sicherheit zu sagen, welcher Faktor zu dem Verschwinden beigetragen hat, wahrscheinlich ist es eine Kombination aller Faktoren. Jedoch, feststeht, die Weißen Haie haben die vorherigen „Hotspots“ verlassen, was das ganze Ökosystem beeinflusst. Andere Haiarten werden in den Gegenden gesichtet, die vorher kaum zu sehen waren. Das Verhalten der Seelöwen, die Hauptbeute der Weißen Haie in den Wintermonaten, hat sich komplett geändert. Und auch die Zahlen sind gestiegen.

Seit kurzer Zeit ist bekannt, dass die Seelöwen in Südafrika Tollwut haben können. Es gibt keinen Beweis, dafür, dass dies in direktem Zusammenhang mit dem Verschwinden der Weißen Haie steht. Jedoch weiß man, dass weiße Haie die Population von Seelöwen kontrolliert haben und kranke und schwache Tiere entfernt haben. Ich denke die Wichtigkeit der Haie in unseren Meeren kann überall gesehen werden. Auch wenn ein Tier ein schlechtes Image hat, hat es doch ein Anrecht auf den Schutz und, dass wir dafür sorgen, dass die Art überlebt.

Redaktion Blinker: Wir haben nun schon einiges über Haie gehört. Worum dreht sich deine Forschung eigentlich genau? Welche Frage versuchst Du mit deiner Forschung zu beantworten?

Kristina Loosen: Meine Forschung verwendet die noch neuartige Methodik des eDNA metabarcoding. Diese Methodik wurde schon oft im Meer verwendet, um die Biodiversität (Artenvielfalt) des Ökosystems zu analysieren. Auch mit speziellem Fokus auf Haie. Jedoch gibt es bis dato kein Projekt, was dies in Südafrika versucht hat. Das Ziel meines Projekts ist es nun, nur mit Hilfe von eDNA die Artenvielfalt und die Verbreitung von Haien, Rochen und Chimären an der gesamten südafrikanischen Küste zu erfassen. Die südafrikanische Küste erstreckt sich über 3600 km, eine Distanz, die bis jetzt von keinem Projekt weltweit mit eDNA erfasst wurde. Außerdem ist es bekannt im Kreise der eDNA-Forscher, dass Hai- und Rochen-DNA schwieriger zu erfassen sind.

Bild: K. Loosen

In Ihrer Forschung verwendet Kristina eDNA, kleinste DNA-Spuren aus dem Wasser, um herauszufinden, welche Haie entlang der südafrikanischen Küste heimisch sind.

Die Haut der Haie, Rochen und Chimären hat keine Schuppen. Sie ist stattdessen mit einer Art kleiner Zähne übersät (Placoidschuppen), welche sie kaum verlieren und daher weniger DNA hinterlassen als andere Tiere. Daher nenne ich mein Projekt auch liebevoll „Shark Forensics“, da es nicht einfach ist, die DNA und den Ursprung zu finden. Mein Projekt möchte nun ein Protokoll erstellen, wie man in Zukunft am besten eDNA-Proben sammelt, um die Artenvielfalt von Haien zu erfassen.

Außerdem kreieren wir eine Datenbank von Referenz-Gensequenzen von südafrikanischen Hai- und Rochenarten, sodass diese zukünftigen Projekten zur Verfügung stehen. Ohne diese Gensequenzen bleibt ein Teil der Arten immer unentdeckt und man würde nie die reelle Vielfalt erfassen können. Momentan sind 191 verschiedene Hai-, Rochen- und Chimärenarten vor Südafrika bekannt, jedoch sind nur 54% genetisch erfasst. Südafrika hat eine hohe Anzahl von Hai-Arten, die nur vor der südafrikanischen Küste vorkommen. Ein Beispiel ist der Pyjama catshark (Poroderma africanum) oder der Puffadder shyshark (Haploblepharus edwardsii). Daher ist es umso wichtiger, eine Gensequenz in der globalen Gendatenbank zu hinterlegen.

Redaktion Blinker: Die Bestandserhebung mit eDNA klingt nach einer tollen Methode. Vielleicht kannst du uns noch etwas mehr dazu sagen. Was genau ist eDNA, wie wird sie verwendet und welche Vorteile hat die Bestanderhebung mit dieser Technik?

Kristina Loosen: eDNA oder environmental DNA (Umwelt-DNA) beschreibt eine Methodik, in der wir DNA-Proben aus der Umwelt sammeln. Jedes Lebewesen (auch wir Menschen) hinterlässt Spuren und DNA in der Umwelt, in der es sich bewegt. Das sind zum Beispiel Haare, Hautzellen, Fäkalien, Speichel und so weiter. Nun können wir Forscher Proben vom Boden, Süßwasser, Meerwasser oder sogar aus der Luft nehmen und diese DNA herausfiltern. Anhand dessen können wir ermitteln, welche Tiere an diesem Ort präsent sind oder vor kurzer Zeit waren. Dadurch müssen wir die Tiere nicht einmal sehen, um zu wissen, dass sie dort waren.

In meinem Projekt habe ich dazu Wasserproben genommen, welche ich dann mit Hilfe einer handelsüblichen 50 ml Spritze durch ein DNA Filterpapier gefiltert habe. Daraufhin wird die Probe konserviert, dann im Labor die DNA extrahiert und anhand einer PCR (Polymerase Kettenreaktion) gezielt Hai und Rochen-DNA vervielfältig. Daraufhin kann die vervielfältigte DNA sequenziert werden, wobei man die DNA den einzelnen Arten zuweisen kann (Next Generation sequencing und Metabarcoding). Die eDNA-Technik hat viele Vorteile. Zum einen kann man schnell und einfach Informationen über die Gegenwart bestimmter Arten in einem Areal kriegen. Man kann aber auch Informationen über alle Arten im Ökosystem erhalten und das in kurzer Zeit. Das Probennehmen für eDNA ist unglaublich einfach, schnell und kann auch vom Laien gemacht werden. Die Methodik ist dazu auch nicht-invasiv und stört weder die Tiere selbst noch das Ökosystem.

Die Forscher bei der Entnahme von Wasserproblem. Die enthaltene eDNA wird später im Labor analysiert.

Keine Tiere müssen für diese Art von Forschung sterben, was mir speziell auch sehr wichtig ist. Es hat den Vorteil, dass man seltene Arten erfassen kann, die einem sonst im wahrsten Sinne des Wortes „durchs Netz“ gehen. Die Methodik ist noch recht neu. Die ersten Veröffentlichungen wurden in den 2000ern gemacht und in 2012 wurde dann das erste Mal eDNA von Meerwasserproben gesammelt, um Wale zu erforschen. Mittlerweile gibt es viele Projekte, die eDNA verwenden, oder es in Kombination mit anderen Methoden anwenden. Nun gibt es auch immer öfter die Möglichkeit die DNA eines Individuums zu finden und anhand dessen Rückschlüsse auf die Populationsgenetik zu machen. Es gibt immer mehr Erfindungen, um die Methodik zu perfektionieren und auch das Sammeln zu erleichtern. Zum Beispiel werden Meeres-Schwämme als natürliche Filtrierer verwendet und kleine Proben genommen, um Rückschlüsse auf die Artenvielfalt/Biodiversität zu erhalten (Mariani et al. 2019).

Redaktion Blinker: Gibt es auch andere Einsatzgebiete für eDNA, zum Beispiel auch im heimischen Süßwasser?

Kristina Loosen: Ja, eDNA wird in allen Ökosystemen verwendet und auch vor allem in Europa. Es kann auch dazu verwendet werden, invasive Arten zu finden, wodurch dann bessere Pläne für die Handhabung des Problems gemacht werden können. Bis jetzt ist es noch schwierig Rückschlüsse auf die Anzahl von Tieren zu machen durch eDNA metabarcoding. Jedoch kann man die relative Anzahl ermitteln innerhalb der Proben. Somit ist es aber noch nicht möglich, Bestandsaufnahmen von Süßwasserarten oder marinen Fischarten zu machen.

Redaktion Blinker: Beim Angeln geht es zwar auch darum, Fische zu fangen – vielen Anglern ist der Erhalt der Gewässer und Meere jedoch ebenfalls sehr wichtig. Wie würdest du die aktuelle Situation in den Meeren einschätzen, besonders in Hinblick auf die Hai-Populationen?

Kristina Loosen: Leider ist der Zustand der Meere sehr beunruhigend. Als Angler kennt man sicherlich Probleme wie den im Sommer auftretenden Sauerstoffmangel und dadurch entstehende Fischsterben, Gewässerverbauung, der Zusammenbruch der Dorsch-Bestände in der Ostsee … wir haben heute mit einigen Problem am und unter Wasser zu kämpfen. Durch Jahrhunderte an menschlichem Einfluss, vor allem seit der Industrialisierung, sind die Meere heute von vielen verschiedenen Dingen belastet: Versauerung durch CO2 Emissionen, Verschmutzung durch Plastik und Abwässer, Erwärmung durch den Klimawandel, Absterben der Korallen und die Überfischung der Fischschwärme, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei Haien ist das Problem nicht nur, dass sie mit diesen Herausforderungen fertig werden müssen. Was Haie und Rochen von anderen Fischen unterscheidet, ist das die meisten Arten nur wenige einzelne Nachkommen haben. Somit brauchen Hai-Populationen sehr lange, um sich wieder zu erholen und sind besonders empfindlich.

Bild: K. Loosen

Das Team von CapeNature in Südafrika ist für den den Schutz der Küstenlinien und terrestrischen Schutzgebiete im Western Cape verantwortlich. Solche Projekte sind in einer Zeit, in der die Meere so viele Probleme haben, besonders wichtig.

Redaktion Blinker: Was sind die größten Probleme, mit denen die Haie zu kämpfen haben?

Kristina Loosen: Den größten Einfluss auf Haie und Rochen hat die Überfischung. Durch gezielte Fischerei und als Beifang verenden jedes Jahr um die 100–150 Millionen Haie. Die Zahl kann man nie genau bestimmen, da ein Großteil der illegalen Fischerei geschuldet ist. Die Länder mit den höchsten Exportzahlen für Haifleisch sind übrigens Spanien, Portugal und die USA, während Indonesien und Hongkong führend im Export von Haifischflossen sind. Das Problem ist jedoch, dass Haifleisch oft nicht als solches deklariert ist. Die Konsumenten wissen so selbst nicht, dass sie Hai essen. Wir haben alle schon einmal von „Schillerlocken“ gehört. Auch andere Länder haben andere Namen für ihre Haifleisch-Gerichte, was dafür spricht, dass die Konsumenten eher davon abgeneigt sind Haifleisch zu essen. In Australien wird Haifleisch als „Flake“ deklariert und wird in circa 30% von getesteten „Fish and Chips“ Läden verwendet.

Die gleiche Studie hat auch gezeigt, dass 88% der Proben nicht die deklarierte Haiart waren und 9 Proben sogar von bedrohten Arten stammten. Zudem ist Haifleisch oft hochbelastet mit Schwermetallen und daher nicht gesund für vermehrten Konsum. Dies ist den meisten Leuten leider nicht bewusst. Vor allem die Überfischung hat dazu geführt, dass mittlerweile 37,5 % aller Hai- und Rochenarten vom Aussterben bedroht sind. Überfischung ist der alleinige Grund für die Bedrohung von 67,3% der Arten. Der Rest kann auf Zerstörung des Lebensraums, Klimawandel und Verschmutzung zurückgeführt werden (Dulvy et al. 2021).

Bild: Adobe Stock / VisionDive

Die gezielte, oft unregulierte Be- bzw. Überfischung, der unabsichtliche Beifang und verschiedene Umweltprobleme stellen Haie vor massive Probleme. Leider haben Haie und Rochen nur wenige Nachkommen und werden spät geschlechtsreif, die Bestände können sich daher auch nur langsam wieder erholen.

Damit sind Haie und Rochen die zweitgefährdetste Gruppe von Wirbeltieren, nach Amphibien (41%)! Wissenschaftlich fundierte Fangbeschränkungen, wirksame Meeresschutzgebiete und Maßnahmen zur Reduzierung oder Vermeidung von Fischereisterblichkeit sind dringend erforderlich, um bedrohte Arten zu schützen und eine nachhaltige Nutzung sowie den Handel mit anderen Arten zu gewährleisten. Sofortiges Handeln ist essenziell, um weiteres Aussterben zu verhindern und die Rolle dieser ikonischen Raubtiere für die Ernährungssicherheit und das Ökosystem langfristig zu sichern.

Bild: K. Loosen

Seltener Anblick:  Ein Weißer Hai wird von Kristina mit einem Köder an die Oberfläche gelockt, sodass Fotos von der Rückenflosse gemacht  und die Haie katalogisiert werden können. Die Einkerbungen an der Rückenflosse sind wie ein Fingerabdruck individuell bei jedem Tier. Leider müssen die größten Raubfische – genauso wie viele andere Haie und Rochen – mit vielen Problemen fertig werden. Einige Haie und Rochen sind bereits vom Aussterben bedroht.

Redaktion Blinker: 150 Millionen getötete Haie klingt nach einer wahnsinnig großen Zahl! Welche Haie sind am meisten bedroht und was sind hierfür die Gründe?

Kristina Loosen: Pelagische Adlerrochen und Teufelsrochen gehören nun zusammen mit Riesengeigenrochen, Sägerochen, Keulenrochen, Hammerhaien und Engelhaien zu den am stärksten bedrohten Familien. Pelagische Arten, wie der Kurzflossen Makohai (Isurus oxyrinchus), Weißspitzenhochseehaie (Carcharhinus longimanus) und der Blauhai (Prionace glauca), sind ebenfalls bedroht. Das liegt zum einen an ihrem Lebensstil. Sie halten sich in den offenen Weltmeeren auf, die als marine Wüsten gelten. Da die Fischgründe weltweit oft dezimiert sind, verbleibt weniger Beute für diese Haie. Jedoch ist es eher der gezielte Fang und das „Shark Finning“ was dazu führt, dass diese Arten bedrohter sind. Blauhaie und Weißspitzenhochseehaie haben lange schöne Brustflossen, welche sehr begehrt sind auf dem Haifischflossenmarkt.

Bild: Adobe Stock / ead72

Trauriger Anblick: Vom einst so eleganten Top-Räuber bleibt nur ein verstümmelter Kadaver … Haifischflossen sind eine teure Delikatesse, das bringt vielen Haien den Tod. Schlimmer noch, nicht selten werden den lebendigen Fischen nur die Flossen abgeschnitten, der qualvoll sterbende Hai wird dann einfach wieder ins Meer geworfen.

Keilfische und Riesengeigenrochen haben Sägerochen als die am stärksten bedrohten marinen Fischfamilien weltweit abgelöst. Von den 16 bekannten Arten steht bis auf eine jede vor einem extrem hohen Aussterberisiko. Dies liegt an ihrer geringen biologischen Reproduktionsrate, ihrer Verbreitung in flachen Küstengewässern – wo sie mit einigen der intensivsten und wachsenden Fischereien der Welt kollidieren – sowie an der starken Überfischung. Diese erfolgt sowohl gezielt als auch als Beifang. Die Fischerei auf Haie erfolgt zur Ernährungssicherung in Küstengemeinden sowie durch den Handel mit ihrem Fleisch und ihren wertvollen Flossen.

Redaktion Blinker: Eine letzte Frage. Als Expertin, was würdest du raten zu tun, wenn man im Urlaub, zum Beispiel beim Schnorcheln, im Wasser einem Hai begegnet?

Kristina Loosen: Zunächst einmal würde ich mich freuen.  Aber ja, wie man so oft so schön hört, ruhig bleiben ist die beste Devise. Die Haie sind oft sehr scheu und werden sich auf Distanz halten. Wenn man jedoch herumplantscht oder schreit, kann dies das Tier erschrecken und eine Abwehrreaktion hervorrufen. Am besten ist auch, dass man die Arme verschränkt hält und einfach ruhig im Wasser liegen bleibt. Sollte der Hai doch etwas näherkommen, kann man sich aufrichten, sodass man senkrecht im Wasser „steht“. Dadurch wirkt man größer und das reicht oftmals schon, dass der Hai ganz ruhig abdreht.

Falls der Hai nicht abdreht, kann man eine Flosse (wenn man eine anhat als Schnorchler oder Taucher) in die Richtung des Hais strecken, um ihn auf Distanz zu halten. Man muss bedenken, dass sich jeden Tag Abermillionen von Menschen im Meer aufhalten und es passiert nahezu nie etwas. Im Durchschnitt passieren im Jahr 5 tödliche Haiunfälle. Diese sind tragisch und natürlich sehr schlimm für die Angehörigen, aber die Zahl ist doch so gering, dass die Gefahr eines Haiunfalls statistisch gar nicht auswertbar ist.

Bild: Adobe Stock / Sabine

Wenn Sie im Wasser einem Hai begegnen, bleiben Sie ruhig und begegnen Sie dem Raubtier mit Respekt. Die allermeisten der 520 Hai-Arten sind nicht sehr groß und ernähren sich von kleinen Tieren. Schätzen Sie das Erlebnis, noch die Gelegenheit gehabt zu haben, einen Hai in freier Wildbahn zu sehen! Die Wahrscheinlichkeit für einen Unfall ist fast Null.

In den Medien erscheint es, als wäre es ein großes Problem, über jeden Vorfall gibt es globale Berichte. Seit über 450 Jahren (Start der Aufzeichnungen von Haiunfällen 1580, International Shark Attack File) waren nur 11 Haiarten für tödliche Unfälle verantwortlich. Was viele nicht wissen: Es gibt über 520 Arten von Haien, von denen die meisten viel zu klein sind, um einem Menschen Schaden zuzufügen. Haie sind Raubtiere und das sollte man auch nie vergessen. Daher gilt: In Gegenden, wo viele Haie vorkommen, vor allem größere Arten, sollte man nicht allein schwimmen. Besonders nicht bei Sonnenauf- oder Untergang.

Man sollte in der Nähe eines Hais auch nicht herumplantschen. Und ganz wichtig: niemals versuchen den Hai anzufassen! Dieser Trend ist sehr schädlich. Leider verbreiten gewisse Leute solche Praktiken auf Social Media, ohne Warnungen auszusprechen. Das Berühren von wilden Tieren ist meistens unnötig und kann zu Unfällen führen, da das Tier sich erschrickt oder es einfach nicht mag. Ich sage immer, man würde es auch nicht mögen, wenn plötzlich jemand in sein Wohnzimmer kommt und ihm über den Kopf streichelt. Respektvoller Umgang ist wichtig mit allen Lebewesen und so auch mit Haien. Ich muss sagen, in 99% der Fälle, waren Leute unfassbar glücklich, nachdem sie ihren ersten Hai gesehen haben und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Es ist eine großartige Erfahrung und ich hoffe, bei einer Begegnung wird die Freude auch bei den Lesern vom ‚Blinker‘ überwiegen.

Literatur:

Andreotti, Sara; Rutzen, Michael; van der Walt, Stéfan; Von der Heyden, Sophie; Henriques, Romina; Meÿer, Michael; Oosthuizen, Herman; Matthee, Conrad A. (2016). An integrated mark-recapture and genetic approach to estimate the population size of white sharks in South Africa, Mar Ecol Prog Ser, Vol. 552: 241–253, doi: 10.3354/meps11744

Dulvy, Nicholas K.; Pacoureau, Nathan; Rigby, Cassandra L.;Hilton-Taylor, Craig; Fordham, Sonja V.; Simpfendorfer, Colin A. (2021). Overfishing drives over one-third of all sharks and rays toward a global extinction crisis, Current Biology 31, 4773–4787, https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.08.062

Mariani, Stefano; Baillie, Charles; Colosimo, Giuliano; Riesgo, Ana (2019). Sponges as natural environmental DNA samplers, Current Biology 29, R395–R402

Towner, Alison V.; Kock, Alison A.; Stopforth, Christiaan; Hurwitz, David; Elwen, Simon H. (2022). Direct observation of killer whales preying on white sharks and evidence of a flight response, Ecology 102 (1), doi: 10.1002/ecy.3875

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