Die letzten Stunden unserer Anreise mit dem Auto auf der schier endlosen Straße E45 teilen wir uns nur noch mit riesigen Lkws, deren Ladung aus großen Nadelholzstämmen besteht, einigen verstreuten Wohnmobilen und verdutzt dreinschauenden Rentieren. Als wir in der Nähe von Strömsund die befestigte Straße verlassen und auf den Schotterweg in Richtung Camp „Wildnis-Leben“ einbiegen, haben wir Süd- und Mittelschweden bereits hinter uns gelassen und begeben uns immer tiefer in die Einsamkeit der stringenten Landschaft Nordschwedens.
Unsere Einkäufe für die nächsten Tage liegen bereits im Kofferraum. Der nächste Supermarkt ist weit entfernt und jede außerplanmäßige Tour kostet wertvolle Zeit. Zeit, die wir nicht im Auto verbringen möchten. Nach einer guten halben Stunde Fahrt sehen wir das Holzschild mit der Aufschrift „Wildnis-Leben 400 m“ und biegen dort auf einen kleinen Weg ein, der uns direkt zum großen Blockhaus unserer Gastgeber Monika und Frank führt.
Fränkische Gastfreundlichkeit am schwedischen Öjarnsee
Die beiden gebürtigen Franken sind per Whatsapp bereits über unser Eintreffen informiert worden und empfangen uns mit Kaffee und Kuchen. Sofort entspinnt sich ein lebendiges Gespräch über das Camp, die umgebende Landschaft und die Tierwelt. Es wird schnell klar, dass wir es mit einem überaus gastfreundlichen Paar zu tun haben. Auch in den kommenden Tagen stehen sie uns immer mit Rat und Tat zur Seite, um den Aufenthalt im Camp so angenehm wie möglich zu gestalten.
Bild: B. Gierth
Das Camp „Wildnis-Leben“ befindet sich im nördlichen Teil Schwedens, direkt am wunderschönen und fischreichen Öjarnsee.
Blockhaus mit Seeblick
Als wir schließlich unsere Bleibe für die nächsten fünf Tage erblicken, bleibt uns fast die Spucke weg. Vor uns steht ein wunderschönes großes Holzblockhaus, urgemütlich eingerichtet, mit einem gigantischen Ausblick auf einen See und schneebedeckte Berge. Die vielleicht größte Sensation ist, dass Frank dieses Haus alleine nach traditioneller Handwerkerart Schritt für Schritt gebaut hat!
Wer auch einmal Lust hat, in solch einem Ambiente seinen Urlaub zu verbringen, kann sowohl im Sommer als auch im Winter im Camp verschieden große Holzhäuser mieten. Dass unser Reiseziel direkt am Wasser liegt, genau genommen am Öjarnsee, ist natürlich kein Zufall. Auch wenn ich mit meiner Freundin unterwegs bin, habe ich immer ein paar Angelruten und Köder im Gepäck verstaut.
Mit dem Boot den Öjarn erkunden
Als erstes inspiziere ich die im Camp zur Verfügung stehenden Boote und stelle zu meiner Freude fest, dass mehrere Kanus und Ruderboote, die wahlweise mit Muskelkraft oder mit im Camp vorhandenen Elektromotoren angetrieben werden, zur Benutzung bereitstehen. Vorbildlich ist ebenfalls: Eine ausreichende Zahl von Rettungswesten ist auch vorhanden. Denn eins wird bei einem Blick auf die Landkarte sofort klar: Ohne Boot können wir die Angelmöglichkeiten, die uns der See bietet, nicht ausschöpfen.
Selten zuvor habe ich einen See gesehen, der durch zahlreiche Inseln und Buchten derart zergliedert ist. Um in diesem Gewirr den Überblick zu behalten und am Ende des Tages wieder zurück zum Camp zu finden, habe ich mir die schwedische App „Min Karta“ aufs Smartphone geladen. Die App ist satellitengesteuert und funktioniert daher auch in Funklöchern.
Den Öjarnsee anglerisch erarbeiten
Auch wenn der Öjarn ein wahres Anglerparadies ist, muss ich doch den Enthusiasmus ein wenig dämpfen. Sich einfach auf den Bootssteg stellen, die Rute auswerfen und einen Hecht nach dem anderen fangen, funktioniert leider auch hier nicht! Der Start am mir unbekannten Gewässer ist von einer Lernkurve begleitet. Alle meine Versuche, in den Buchten die Scharkanten zum tiefen Wasser nach Hechten abzusuchen, blieben erfolglos. Im Freiwasser einen Wobbler hinter dem Boot herzuschleppen, brachte auch nicht den erhofften Erfolg.
Zwischen Teichschachtelhalmen erfolgreich
Als ich schließlich herausgefunden hatte, wie flach und ufernah die Fische sich aufhalten, war auch das nur ein erster Schritt zu regelmäßigen Fängen. Erst als ich die fängige Kombination aus größeren Teichschachtelhalm-Ansammlungen, die im Anschluss einer vorgelagerten flachen Bucht (ungefähr 2–3 m tief) lagen, entdeckt hatte, gelang es mir, regelmäßig mehrere Hechte in kurzer Zeit zu fangen. Wenn ein Flussein- oder -auslauf in der Nähe war, umso besser! Auch kanalartige Passagen zwischen Inseln oder Bereiche mit deutlich sichtbarem Pflanzenbewuchs unter der Oberfläche sind oft ergiebige Plätze.
Bild: Waldemar Krause
Neben Hechten kommen im Öjarnsee auch Barsche vor, die sich ebenso hemmungslos auf die Gummiköder stürzen.
Mit leichten Ködern im Flachwasser angeln
Hechte aller Größen stehen unglaublich flach und sehr häufig direkt zwischen den halmartigen Wasserpflanzen in Ufernähe. Folglich brauchen wir einen Köder mit einem geringen Gewicht, der zusätzlich die Eigenschaft hat, sich nicht an Hindernissen festzusetzen! Die einfachste und für mich auch die erste Köderwahl ist ein Gummifisch am leichten Jigkopf. Der Jigkopf sollte, bei einer Gummifischlänge von 12 cm, rund 5 g schwer sein. So reizen wir auch die besseren Hechte und haben immer noch die Chance, auch einen guten Barsch zu erwischen, denn Barsche suchen ebenso gerne im Flachwasser nach Fressbarem. Von der Montage eines zusätzlichen Drillings rate ich allerdings ab.
Hemmungslose Hechte in Nordschweden
Die Hechte in Nordschweden sind einfach völlig hemmungslos! Wird der Köder bei der ersten Attacke verfehlt, ist beim nächsten Wurf der erneute Angriff fast schon garantiert. Ein weiterer und für mich entscheidender Vorteil des Einzelhakens ist, dass dieser unproblematisch und schonend aus dem Maul der Räuber gelöst werden kann. Häufig brauche ich die Fische dafür nicht einmal zu keschern und erledige diese Aufgabe flugs direkt im Wasser.
Ich behaupte sogar, dass jeder, der mit einer notorischen „Hechtfangschwäche“ ins Camp reist, Schweden als Geheilter wieder verlassen wird. Vergessen Sie bitte alles, was Sie an Erfahrungen an Ihrem Vereinsgewässer bis dato gemacht haben!
Bild: Waldemar Krause
Bei Windstille braucht man unbedingt ein Moskitonetz auf dem Kopf, wenn das Angeln nicht zur Tortour werden soll. Ohne Mückenschutz ist auch die Freude über den Hechtfang schnell vorüber.
Trotz der Möglichkeit, unglaublich viel zu fangen, möchte ich doch einen fairen Umgang mit den Fischen anmahnen und jeden einzelnen Fisch auch wertzuschätzen. Wir sind Ende Juni ins Camp gereist. Vor einem Monat lag hier noch Schnee und Eis bedeckte die Gewässer. Der arktische Sommer hat mit dem Frühling kurzen Prozess gemacht und überall um uns herum blühte und surrte es.
Die Wachstumsperiode in Nordschweden ist extrem kurz! Alles, was hier hoch und groß gewachsen ist, kann auf ein langes Leben zurückblicken. Ein Meterhecht aus dem Öjransee wird wahrscheinlich schon die 20 Jahre überschritten haben, ist enorm wichtig für den Bestandserhalt und dementsprechend schonend zu behandeln. Catch & Release wird in Schweden gern gesehen!
Tackle-Tuning: Leicht fängt am Öjarn noch besser!
Im Laufe meines Aufenthaltes am Öjarnsee verfeinerte ich mein Tackle noch weiter. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass das Angeln noch reibungsloser funktioniert, wenn der Gummifisch an einem Offset-Haken montiert wird. So kann ich direkt ins stärkste Pflanzengewirr werfen und wirklich alle erstklassigen Plätze ohne Einschränkungen ausfischen. Anfangs habe ich meine stärkere 75-g-Hechtrute eingesetzt, aber nach einiger Zeit dann doch gegen die kürzere und leichtere 40-g-Spinnrute eingetauscht.
Da ich nur mit geringem Abstand zum Ufer agiere und es häufig ausreicht, den Köder mit kurzen Würfen punktgenau, Stück für Stück durch die Pflanzenstiele zu manövrieren, ist es wesentlich angenehmer, mit leichtem Gerät zu fischen. Gerade bei seitlichen Würfen, die ich oft nur aus dem Handgelenk ausführe, ist diese Spaßkombi deutlich im Vorteil. Dazu eine Spinnrolle mittlerer Größe, die mit geflochtener Schnur gefüllt ist und natürlich ein qualitativ hochwertiges Stahlvorfach. Liebhaber der Baitcasterkombi sind hier natürlich ebenso gut aufgehoben.
Bild: Waldemar Krause
Schlanke Gummifische am Offsethaken sind die perfekten Köder für die Hechtjagd im krautdurchsetzten Flachwasser.
Viele Köder fangen
Ich kann nur jedem empfehlen, Stahlvorfächer und auch Gummiköder in ausreichender Menge mitzubringen! Der Verschleiß an Material durch die permanenten Hechtattacken ist wahnsinnig hoch. Nach lediglich einem Tag Angeln waren meine schlanken Gummifische, die extra für die Montage am Offsethaken gedacht sind, verbraucht. Was sollte ich nun tun? Meine Lösung war denkbar einfach: Ich „verschlankte“ einfach meine normalen Gummifische mit einem Cutter und konnte so den bewährten Offsethaken weiter einsetzen.
Wem diese Art der Köder mit der Zeit zu langweilig wird, kann natürlich Chatter– oder Spinnerbaits ans Stahlvorfach hängen. Beides funktioniert, bringt überraschenderweise aber weniger Bisse als die Gummifische. Auch Jerkbaits, die direkt vor den Pflanzen angeboten werden, sind sicherlich nicht chancenlos – sie sollten meiner Meinung nach aber auf Einzelhaken umgerüstet werden.
Mückenschutz nicht vergessen!
Damit das Angeln auf dem Öjarnsee nicht zur Tortour wird, darf ein wirksamer Mückenschutz keinesfalls fehlen! Gute Erfahrungen habe ich mit dem Insektenschutzmittel „Bushman“ gemacht. Bei Windstille kann es auf dem Wasser auch mal ganz schlimm mit den Mücken werden. In diesem Fall sorgt ein über das Cappy geworfenes Moskitonetz für Ruhe.
Wer genug Hechte gesehen hat und Angel-Abwechselung braucht, kann in den umliegenden Flüssen den Salmoniden nachstellen. Bachforellen und Äschen gibt es in guter Größe und Stückzahl. Am letzten Tag wartete ein besonderes Highlight auf uns: Monika und Frank haben das große Holzfloß für einen abendlichen Ausflug auf dem Öjarnsee vorbereitet. Wir erleben auf dem Wasser einen sagenhaften Sonnenuntergang in traumhafter Kulisse. Frank grillt, für Getränke jeglicher Couleur ist gesorgt und nebenbei fange ich noch ein paar Hechte. Mehr geht wirklich nicht!
Bild: Waldemar Krause
Eine Tour mit dem großen Floß ist ein absolutes Highlight am Öjarnsee!
Revier kompakt: Öjarnsee
- Fläche: 5,23 km² (45 km Uferlinie)
- Maximale Tiefe: ca. 16 m. Der See ist von ca. 60 Inseln durchsetzt.
- Fischvorkommen: Hecht, Barsch, Rotauge, Äsche, Forelle, Quappe, Renke
Bestimmungen
- Mindestmaße: Forelle 30 cm, Äsche 40 cm
- Hechte über 70 cm müssen zurückgesetzt werden.
- Das Angeln für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre in Begleitung eines Erziehungsberechtigten ist kostenfrei.
Angelkarten und Preise
- Kartenausgabestellen: Direkt im Camp und über ifiske.se
- Preise: Tag 50 SEK, Woche 100 SEK, Jahr 200 SEK
Über das Camp Wildnis-Leben
- Übernachtungsmöglichkeiten: Rustikale Blockhütten-Unterkünfte bei Wildnis-Leben
- Bootsverleih: Kanus und Ruderboote mit und ohne Motor werden im Camp verliehen.
Weitere touristische Möglichkeiten rund um den Öjarn
Unter anderem mehrtägige geführte Wanderungen mit Übernachtung im Zelt. Diese finden auch im Winter (dann aber auf Schneeschuhen) statt. Das Gebiet um den Öjarnsee bietet Raum für Ski-Langlauf, Hundeschlittentouren und vieles mehr. Wer es etwas gemütlicher mag und Aktivitäten innerhalb des Camps bevorzugt, der kann sich von Frank beibringen lassen, wie ein echtes Sámi-Messer hergestellt wird, wie ein traditionelles Holzblockhaus gebaut wird oder in der eigenen Backstube die Kunst des Brotbackens lernen.
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