„Seehechte faszinieren mich. Und dabei wusste ich bis vor Kurzem nicht einmal, dass diese Fische existieren – bis eine Gruppe Angler einen Seehecht ins Filetierhaus legte“, meinte unser freundlicher, norwegischer Vermieter. Tatsächlich hatten auch mein Angelkollege und ich den Seehecht, um den sich gerade unser Gespräch drehte, bisher überhaupt nicht als Zielfisch unserer Angelreise auf der Rechnung.
Eigentlich wollten wir auf kampfstarke Köhler in den Tiefen des Fjordes angeln. Doch die Suche nach diesen ausdauernden Schwarmräubern war schon die Tage zuvor vergebens gewesen. Also war unser Entschluss schnell gefasst: Wir steuerten den Bereich an, in dem die Gruppe Angler laut unserem norwegischen Gastgeber vor einigen Wochen auf Seehecht erfolgreich war.
Bild: Clemens Strehl
Es geht hinaus zum Seehechtfang. Allerdings sind die Räuber nicht in jedem Fjord zu finden.
Fischfakten zum Seehecht
Der Seehecht (lat. Merluccius merluccius) ist ein faszinierender Räuber. Er wird bis zu 1,30 m lang, hat ein sehr markant schillerndes, silbriges Schuppenkleid und ein tiefschwarzes Maul bzw. Rachen. Sein endständiges Maul, besetzt mit spitzen Fangzähnen, verrät, dass er nicht ausschließlich in Grundnähe nach Beute jagt.
Da die Fische allerdings mit Dorschen verwandt sind, halten sie sich auch häufig in Grundnähe auf. Sie leben vorrangig am Grund, bewegen sich in der Nacht aber ins Freiwasser, um zu jagen. Die Beute der Seehechte besteht aus kleineren Schwarmfischen wie Heringen aber auch Makrelen.
Bild: J. Scholz
Seehechte sind meist in Grundnähe anzutreffen.
90er Seehecht zum Start
Dank des 30-PS-Außenborders kommen wir schnell an der empfohlenen Stelle an. Wir kreisen mit gedrosseltem Tempo über einer Fjordrinne zwischen Ufer und Unterwasserberg in der Fjordmitte. Das Echolot zeigt bis auf den Grund rein gar nichts an. Uns kommen Zweifel, doch einen Versuch wollen wir wenigstens auf die Seehechte wagen. Also rauschen unsere Montagen kurzerhand in die Tiefe.
Die Drift ist heute nicht sehr stark, der Wind weht in etwa mit Windstärke 1, also mit leisem Zug über den Fjord. Mein 150 g schwerer Pilker erreicht den Grund, ich schließe den Rollenbügel und kurbele ein paar Meter ein. Die Sonne scheint uns ins Gesicht, während unsere Köder mit dem sachte driftenden Boot langsam, aber sicher die abfallende Kante entlang treiben. Das Echolot zeigt immer noch keine Fischsignale. Doch plötzlich ruckt es heftig an meiner Rute. Ich setze den Anhieb. Unsere erste Drift an dieser Stelle dauerte vielleicht zehn Minuten und schon hängt der erste Fisch. Und was für einer!
Der Fisch zieht sehr stark. Ich bekomme schon lange Arme, während ich den Räuber nach oben pumpe. Die Spannung an Bord steigt: Wird es ein Seehecht sein? Tatsächlich zeigt sich ein langer, heller, silbrig schimmernder Fischkörper. Ein beeindruckender Seehecht kommt an die Oberfläche. Mit 90 cm Länge ist es ein toller Einstand und zugleich der Wendepunkt unserer bis dahin erfolglosen Angeltour. Für den Rest unseres Aufenthalts in Norwegen angeln wir hauptsächlich auf die Hechte des Fjords.
Bild: Clemens Strehl
Fische um die 90 cm sind immer möglich, sobald man die Räuber erst einmal gefunden hat.
Verbreitung und beste Fangregion in Norwegen
Im Gegensatz zu Fischarten wie zum Beispiel Pollack, Makrele und Köhler, die in nahezu jedem Fjord Mittelnorwegens vorkommen, scheinen Seehechte nicht so stark verbreitet zu sein. So wurden zum Beispiel von einer Forschergruppe Mariner Forschungseinrichtungen aus Norwegen und Spanien im Romsdalfjord mit Reusen an unterschiedlichen Stellen im Fjord unter anderem Köhler, Meerforellen, Dorsche, Pollacks, Heringe und Makrelen über das Jahr verteilt gefangen, aber so gut wie keine Seehechte (Arechavala-Lopez et al. 2016).
Eine bekannte Fangregion ist allerdings die sogenannte Trondheimsleia, eine Meerenge, die sich zwischen den Inseln Smøla und Hitra und dem Festland erstreckt und schließlich in nordöstlicher Richtung in den Trondheimsfjord übergeht. Von guten Seehechtfängen wird häufig im Spätsommer bis Herbst berichtet.
Bild: B. Gierth
Die besten Seehecht-Stellen liegen in der Trondheimsleia, einer Meerenge zwischen den Inseln Smøla, Hitra und dem norwegischen Festland.
Angeln auf Seehecht: Fangtiefe und Ausrüstung
Während unserer Norwegentour haben wir die Fische in Tiefen zwischen 40 und 70 m gefangen. Meist kamen die Bisse nahe am Grund. Diese Angeltiefe hat zudem einen Vorteil: Es reicht eine Standard-Pilkrute, ausgelegt für Gewichte bis circa 300 g. Schwereres Gerät, wie es beispielsweise beim gezielten Naturköderangeln auf Lengs in Tiefen von 100 m und darunter zum Einsatz kommt, ist nicht nötig. Eine solide Stationär- oder Multirolle mit einer Schnurfassung von circa 300 m 0,30er komplettiert das Handwerkszeug.
Wichtig ist eine Rolle, die auch unter starkem Zug solide läuft. Stationärrollen brauchen also ein robustes Getriebe und einen stabilen Rollenbügel. Eine hohe Übersetzung ist ebenfalls wichtig, um die Montage zügig und effizient aus großen Tiefen hochpumpen zu können. Der Seehecht ist zwar kein ausdauernder Kämpfer wie beispielsweise der Köhler, dennoch können die Fische kurze und kraftvolle Fluchten hinlegen, bei denen sie voll in die Bremse gehen und Schnur nehmen. Als optimal haben sich die salzwasserfesten und robusten Rollen von Penn bewährt.
Lange Ruten für lange Vorfächer
Wählen Sie keine zu kurzen Bootsruten. Zwar sind solche Modelle praktisch für den Transport und theoretisch reichen sie für die vertikale Seehechtangelei aus. Aber bei einer Rute unter 2,40 m ist es insbesondere bei Paternostermontagen jedes Mal umständlich, diese zum Beispiel beim Stellenwechsel zu fixieren, wenn die Montage länger ist als der Abstand zwischen Spitzenring und Rollenbügel beziehungsweise der Hakenöse an der Rute.
Weiterhin ist eine starke, geflochtene Hauptschnur in einem Durchmesser von mindestens 0,18 mm anzuraten. Zu dick sollte die Schnur allerdings auch nicht sein, da sonst der Wasserwiderstand bei den großen Tiefen sehr hoch wird und dann bei starker Drift schneller als bei dünneren Schnüren auf höhere Ködergewichte zurückgegriffen werden muss, um die Fangtiefe zu halten.
Bild: B. Gierth
So wird die Naturködermontage für Seehecht in Detail aufgebaut.
Der beste Köder für Seehecht: Makrelenfetzen
Als hervorragender Seehechtköder haben sich Makrelenstücke bewährt. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen sind Makrelen in Norwegen weit verbreitet und der Fang dieser kleinen Mini-Thunfische ist oft kein Problem. Zum anderen ist die Köderbeschaffung mit der leichten Spinnrute und schlankem Blinker sehr kurzweilig. Weiterhin hinterlassen Makrelenfetzen im Fjordwasser dank ihres hohen Fettgehalts eine unverkennbare, für die Fische gut wahrnehmbare Geruchs- und Geschmacksspur.
Um die Makrelenfetzen anzubieten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In jedem Falle benötigen Sie eine Montage mit stabilen, salzwasserresistenten Einzelhaken in der Größe um 7/0 herum. Fertige Pilkmontagen mit zwei bis drei Oktopus-Beifängern sind häufig schon mit passenden Einzelhaken ausgestattet. Die Gummi-Oktopusse sitzen bei diesen Fertigmontagen auf der Schnur, oberhalb des Einzelhakens, sodass Sie ein Makrelenstück von 3 bis 5 cm Länge ohne Probleme auf den freien Hakenschenkel ziehen können. Dabei sollte der Haken unbedingt durch die Haut des Makrelenfetzens geführt werden – so hält der Köder besser am Haken.
Bild: Clemens Strehl
Auch die Köderbeschaffung macht Spaß – vor allem, wenn dabei solche kapitalen Makrelen an den Haken gehen.
Maximal drei Haken an der Montage
Um die Montage bis zum Fjordgrund zu bringen, gehören Pilker oder Bleie von 100 bis 300 g in die Köderbox. Falls Sie mit Pilkern angeln, kann ein Modell mit Fluofarben oder auch UV-aktiven Punkten für einen zusätzlichen optischen Reiz in den Tiefen des Fjords sorgen. Fangen werden Sie auf die Makrelenstücke aber auch mit einem einfachen Grundblei.
Entscheidend ist, dass Sie Ihre Montage mit passendem Gewicht in der Fangzone knapp über Grund halten können. Natürlich können sie sich auch mit dem Springerknoten selbst eine einfache Montage für Makrelenfetzen binden. Damit die Montage handhabbar bleibt, empfiehlt es sich, zwei bis maximal drei Einzelhaken für Makrelenfetzen einzubinden. Der Abstand zwischen den Einzelhaken sollte nicht mehr als 40 cm betragen.
Bild: Clemens Strehl
Ein Essen für die Götter – Seehecht-Filets aus der Pfanne.
Das muss mit zum Angeln auf Seehecht
- Pilkrute in einer Länge von ca. 2,40 m und mit einem Wurfgewicht bis ca. 300 g (hohe Gewichte sind nötig bei Drift)
- salzwasserfeste, solide Stationärrolle mit einer Schnurfassung von 300 bis 350 m 0,30 mm (50–60 mm Spulenkopfdurchmesser) und einer Übersetzung von wenigstens 5:1,0 oder eine adäquate Multirolle
- geflochtene Hauptschnur von ca. 0,18 bis 0,25 mm Durchmesser
- dicke Monovorfächer (ca. 0,70 mm) mit Einzelhaken für Makrelenfetzen oder Naturködermontagen mit abriebfestem Fluo-Schutzschlauch
- Pilker oder Grundbleie von 100 bis 300 g
- solide Wirbel (30 kg oder stärker) und Einhänger (30 kg oder stärker) zum Verbinden des Vorfachs mit der Hauptschnur
- großer Kescher oder Gaff und Fischtöter
- Makrelenvorfächer oder kleine Pilker zum Köderfischfang (Makrelen)
- scharfes Messer für Makrelenfetzen
Seehecht-Tipp: Schlau mit Schlauch
Wichtig ist es, das Vorfach immer wieder zu kontrollieren, denn der Seehecht hat – ähnlich wie sein Namensvetter aus dem Süßwasser – lange, scharfe und vor allem viele Zähne. Da passiert es schnell, dass ein Vorfach aus Monoschnur aufraut. Wer mit einem Monovorfach fischt, sollte es daher regelmäßig kontrollieren und im Zweifel besser einmal zu viel als zu wenig austauschen.
Bild: Clemens Strehl
Das Maul des Seehechtes zeigt, dass der Fisch seinem Namensvetter im Süßwasser in Sachen Raublust in Nichts nachsteht.
Noch besser ist es, einen fluoreszierenden Gummischlauch über das Vorfach zu ziehen. Dieser schützt die Schnur nicht nur vor scharfen Zähnen, sondern hat zudem eine optische Lockwirkung für die Seehechte. Wer die passenden Gummischlauchstücke nicht zur Verfügung hat, kann auch auf fertige Seehechtvorfächer mit Schutzschlauch zurückgreifen.
Köderführung? Für den Seehecht nur halten!
Das Führen der Montage ist einfach: Im Endeffekt reicht es, wenn Sie Ihre Rute wachsam im Griff haben und die Makrelenfetzen mit Drift und Strömung für sich arbeiten lassen. Auch ohne Pilkbewegung werden die Fische früher oder später auf die Geruchsspur gelockt. Es ist ein Geduldsspiel, über einer Angelstelle zu driften und ohne eindeutige Echolotsignale auf den Biss zu warten. Auf dem Grund liegende Seehechte werden allerdings selten vom Echolot erfasst und als Fisch dargestellt, haben Sie also Vertrauen.
Bild: Clemens Strehl
Beim Seehechtangeln kann man es ruhig angehen lassen, weil der Geruch des Makrelenfetzens die Fische anlockt.
Seehechte beißen nicht immer vehement. Häufig werden Sie eher ein plötzliches, leichtes Zupfen in der Rutenspitze spüren. Dann hat sich der Seehecht die vermeintlich leichte Beute einfach bequem geschnappt und kaut ohne Argwohn auf dem Makrelenfetzen herum. Warten Sie jetzt einen Augenblick, bis der Fisch stärker an Ihrer Montage zieht. Und wenn Sie Ihren Fang an die Fjordoberfläche gezogen haben und sich an der Wasseroberfläche das markante, helle Schuppenkleid eines Seehechts zeigt, werden Sie meine Faszination teilen.