Der Weiße Hai ist sicherlich die ikonischste Haiart der Welt. Kaum ein Meerestier verbindet wissenschaftliche Faszination und mediale Überhöhung so wie er. Während er in Filmen oft als gnadenloser Menschenjäger dargestellt wird, zeichnet die Biologie ein völlig anderes Bild. Der Weiße Hai ist ein hochspezialisierter Meeres-Räuber mit entscheidender Rolle für die Stabilität mariner Ökosysteme.
Biologische Zugehörigkeit des Weißen Hais
Der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) gehört zur Familie der Makrelenhaie (Lamnidae), einer Gruppe hochentwickelter, endothermer Haiarten. Er ist der einzige noch lebende Vertreter seiner Gattung. Lange wurde der Weiße Hai mit dem ausgestorbenen Megalodon verwandt. Moderne Analysen zeigen jedoch eine nähere Verbindung zur Gattung Isurus (Makohai).
Weißer Hai: Merkmale und Fähigkeiten
Körperbau
Der Körper des Weißen Hais ist darauf ausgelegt, Geschwindigkeit, Kraft und Energieeffizienz zu vereinen. Mit einer Länge von durchschnittlich 4 bis 5 Metern und einem Gewicht von bis zu 2 Tonnen ist er der größte Raubfisch der Erde. In Ausnahmefällen kann ein Weißer Hai auch eine Körperlänge von über 6 Metern erreichen.
Seine torpedoförmige Gestalt reduziert Strömungswiderstand und ermöglicht schnelles Beschleunigen – entscheidend für Überraschungsangriffe. Die großen Brustflossen dienen als Manövrierflächen, die halbmondförmige Schwanzflosse erzeugt enorme Vortriebskräfte.

Bild: Adobe Stock / Uryadnikov Sergey
Bei seiner Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf Kurzstrecken kann es durchaus sein, dass der Weiße Hai bei einer Attacke aus dem Wasser schießt.
Die Zähne des Weißen Hais sind dreieckig, gezackt, ständig nachwachsend. Dieses sogenannte mehrreihige Revolvergebiss eignet sich perfekt für das Schneiden und Reißen von Fleisch, selbst die dicken Fettschichten mancher Beutetiere (Robben hat er zum Fressen gern) sind kein Problem.
Thermoregulation
Weiße Haie sind partiell endotherm: Durch ein Gefäßsystem können sie Körperteile – insbesondere die Schwimmmuskulatur – über Umgebungstemperatur erwärmen. Dies erlaubt ihnen, auch kühlere Gewässer zu nutzen, in denen Beutetiere wie Robben besonders häufig vorkommen.
Sinnesleistungen
- Riechen: Sie können Blutspuren über große Entfernungen wahrnehmen
- Sehen: Ihre Augen sind für Lichtwechsel optimiert; sie erkennen Kontraste sehr gut
- Elektrorezeption: Mit Lorenzinischen Ampullen nehmen Weiße Haie elektrische Felder lebender Tiere wahr – besonders entscheidend in der Endphase des Angriffs
Deep Blue: Der größte Weiße Hai der Welt?
Der größte Weiße Hai, der jemals von einem Forscherteam dokumentiert wurde, ist das Weibchen Deep Blue. 2013 filmte der Meeresforscher Dr. Mauricio Hoyos Padilla Deep Blue vor der Karibikinsel Guadeloupe. Er schätzte den riesigen Weißen Hai damals auf 6 Meter Länge, ein Gewicht von 2,5 Tonnen und ein Alter von etwa 50 Jahren. Die Lebenserwartung eines Weißen Hais liegt bei ca. 70 Jahren. Damit gehören sie zu den langlebigsten aller Knorpelfische.
2019 berichtete ein Filmteam der National Geographic von einer weiteren Deep-Blue-Sichtung vor Hawaii. Wissenschaftlern zufolge ist es jedoch durchaus möglich, dass es noch größere Weiße Haie als Deep Blue gibt. Einige von ihnen halten eine Maximallänge von 8 Metern für durchaus denkbar.
Contender: Der größte männliche Weiße Hai
Wie bei vielen Fischarten, sind auch bei Weißen Haien die Weibchen größer als die Männchen. Im Januar 2025 sichteten und markierten Forscher der Organisation Ocearch den bislang größten männlichen Weißen Hai. Der Milchner „Contender“ war rund 4,2 Meter lang und etwa 750 kg schwer.
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Wo gibt es Weiße Haie?
Der Weiße Hai ist weit verbreitet und bewohnt sämtliche gemäßigte und warme Ozeane. Zu den wichtigsten Verbreitungsgebieten zählen Südafrika, Australien, Neuseeland, Kalifornien, Mexiko sowie der Mittelmeerraum.
Er bevorzugt Küstengewässer und Schelfzonen, nutzt jedoch auch offene Ozeanbereiche und kann Tiefen von über 1000 Metern erreichen. Diese Flexibilität macht ihn zu einem der anpassungsfähigsten Großhaie. Seine Temperaturpräferenzen liegen in etwa zwischen 12 und 24 °C.
Treffen im White Shark Café
Weiße Haie sind große Wanderer. Individuen aus Kalifornien ziehen beispielsweise bis in die zentralen Pazifikregionen, ein Gebiet, das als „White Shark Café“ bekannt wurde. Die Gründe für diese Reisen sind vermutlich Nahrungssuche und Paarung. Besonders im Winter und Frühling wird das White Shark Café von vielen Weißen Haien aufgesucht, die sich sonst eher in Küstennähe aufhalten.
Das Gebiet liegt zwischen Südkalifornien und Hawaii und hat einen Durchmesser von rund 500 km. Für die Reise benötigen die Haie von der Ostküste der USA mit ihrer durchschnittlichen Geschwindigkeit von gut drei Stundenkilometern bis zu 100 Tage. In tieferen Wasserschichten finden sie dort auch ein gutes Nahrungsangebot.

Bild: Wikimedia / Obtund
Hier liegt der Ort namens White Shark Café, ein beliebter Treffpunkt für Weiße Haie.
Ernährung und Jagdverhalten des größten Räubers
Die Nahrung des Weißer Haie hängt stark vom Lebensabschnitt ab. Jungtiere ernähren sich überwiegend von Fischen, während ausgewachsene Tiere bevorzugt Meeressäuger jagen. Der Wechsel zu energiereicher Beute wie Robben ist ein entscheidender Schritt für ihr Wachstum.
Das Beutespektrum umfasst damit Robben und Seelöwen, Thunfische, Makrelen sowie andere Haie und in Ausnahmefällen auch Schildkröten und Seevögel.
Weiße Haie beherrschen mehrere Jagdstrategien:
- Ambush Attack: Aus tiefer Position schnellt der Hai nach oben und überrascht seine Beute
- High-Speed-Charge: In offenen Gewässern setzt er auf Geschwindigkeit
- Testbiss: Eine häufig missverstandene Verhaltensweise; viele Haiangriffe auf Surfer sind Erkundungsbisse, nicht gezielte Jagd
Als Spitzenprädator reguliert der Weiße Hai an der Spitze der Nahrungskette im Ozean die Populationen anderer Meerestiere und trägt so entscheidend zur Stabilität der Nahrungskette bei.
Der Weiße Hai im Steckbrief: Fortpflanzung und Lebenszyklus
Paarungen werden selten dokumentiert. Die Embryonen entwickeln sich bei Weißen Haien aus Eiern im Mutterleib. Weibchen bringen nach rund 12 Monaten Tragzeit nur etwa 2 bis 17, dafür sehr weit entwickelte Jungtiere zur Welt. Die Lebensphasen des Weißen Hais:
- Neonaten: Bei Geburt etwa 1,2–1,5 m groß
- Juvenile: Küstennahe Bereiche, Fokus auf Fischbeute
- Adulte: Offene Ozeanbereiche, Seelöwen- und Robbenjagd
Weiße Haie wachsen sehr langsam und erreichen ihre Geschlechtsreife erst spät – Weibchen mit rund 15 Jahren, dann haben sie bereits eine Größe von etwa 4,5 m erreicht! Dieser Umstand macht den Fortbestand der Art besonders unsicher und den Schutz der Tiere damit umso wichtiger.
Die Sozialstruktur Weißer Haie
Weiße Haie sind meist Einzelgänger, zeigen jedoch komplexere soziale Muster als lange angenommen. Sie beanspruchen keine festen Territorien, verteidigen jedoch Jagdreviere zeitweise gegen Artgenossen. Eine subtile „Hierarchie“ – oft basierend auf Größe und Geschlecht – entscheidet, wer zuerst fressen darf. Beobachtete Interaktionen mit Artgenossen sind Dominanz durch Körperhaltung, nonverbale Kommunikation mittels Schwimmmanövern und selten auch aggressive Auseinandersetzungen.
Neuere Studien weisen auf Persönlichkeitsunterschiede hin: Manche Individuen sind neugieriger, andere vorsichtiger. Diese Unterschiede beeinflussen ihr Jagd- und Wanderverhalten.
Der Weiße Hai im Angelsport
Die Beziehung zwischen Anglern und Weißen Haien hat eine lange, ambivalente Tradition. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt der Weiße Hai als ultimative Trophäe, als „König der Kampffische“. Legendäre Big-Game-Angler wie der amerikanische Schriftsteller Zane Grey dokumentierten sensationelle Fänge in der Presse.
Damals fehlte oft das wissenschaftliche Verständnis für die ökologische Bedeutung großer Haie. Viele Rekorde wurden mit einfachen, aber gefährlichen Techniken aufgestellt. Heute ist das gezielte Angeln auf Weiße Haie in den meisten Staaten verboten. Wenn beim Haiangeln aber mal ein weißer Hai beißt, ist Muskelkater vorprogrammiert!
Haiattacken auf Menschen
Obwohl der Weiße Hai als gefährlich gilt, sind Angriffe auf Menschen extrem selten. Die meisten Zwischenfälle betreffen Surfer oder Schwimmer und basieren auf Verwechslungen. Weltweit werden nur wenige unprovozierte Angriffe pro Jahr gemeldet. Vergleicht man dies mit der Zahl der Menschen im Wasser, wird schnell klar, dass Weiße Haie keine bedeutende Gefahr darstellen.
Weißer Hai: Bedrohte Tierart
Im Meer haben Weiße Haie kaum natürliche Feinde, nur wenige andere Meeresbewohner werden ihnen gefährlich. In Südafrika beobachteten Forscher Orcas, die gezielt Weiße Haie jagen. Auch anhand von Bissspuren an Hai-Kadavern ließen sich Orca-Angriffe nachweisen.
Orca vs. Weißer Hai
Wie im African Journal of Marine Science veröffentlicht wurde, meiden Weiße Haie mittlerweile sogar Bereiche wie die Gansbaai-Küste aus Angst vor den Killerwalen. Dies hat wiederum zu einem verstärkten Aufkommen von Bronzehaien geführt, die auch zur Beute der Weißen Haie gehören.
Bisherige Daten deuten insgesamt auf eine Zunahme von Killerwalen an den Küsten Südafrikas hin. Die Ursachen für die Beobachtungen könnten nach Meinung der Forscher mit einer Verringerung der Beutefische zusammenhängen. Da die Orcas verstärkt noch nicht geschlechtsreife Haie attackieren, ist dies für die Hai-Population besonders kritisch.

Bild: Hennie Otto / Marine Dynamics / Dyer Island Conservation Trust
Der angespülte Kadaver eines Weißen Hais, der von einem Orca attackiert wurde.
Bedrohung durch den Menschen
Die größte Bedrohung für den Weißen Hai ist jedoch ohne Zweifel der Mensch. Haie verenden als Beifang in Langleinen- und Stellnetzfischerei, Überfischung der Beutetiere des Weisen Hais ist ein Problem, ebenso der Lebensraumverlust durch Küstenveränderungen und illegale Jagd für Kiefer, Zähne und Flossen. In einigen asiatischen Ländern gelten sie als Delikatesse. Trophäen von Weißen Haien sind begehrt und dementsprechend teuer.
Die weltweiten Bestände haben stark abgenommen. Manche Wissenschaftler nehmen zudem an, dass sie sich in einigen Gewässern nicht selbstständig erholen können. Auf der Roten Liste wird der Weiße Hai als „gefährdet“ geführt. Für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts in den Meeren ist die Art sehr bedeutend. Ohne die Haie nehmen zum Beispiel die Robbenpopulationen zu – ein Effekt, der sich dann weiter durch die Nahrungskette zieht.
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