Der Expander-Rig: Eine Montage für kampfstarke Friedfische

Es ist der Horror für jeden Angler: An der Rute tobt ein kapitaler Fisch, aber nach einigen heftigen Fluchten erschlafft die Schnur. Der Fisch ist ausgestiegen. Das muss nicht sein, meint Bruno Mariani. Er hat so lange an seiner Montage getüftelt, bis er die Zahl der im Drill verlorenen Fische deutlich reduzieren konnte. Expander-Rig heißt das Zauberwort gegen Aussteiger.

Der Köder schleift über den steinigen Gewässergrund, ungefähr eineinhalb Meter weiter oben an der Wasseroberfläche zuckt die Antenne der Pose auf einmal leicht unnatürlich. Sofort kommt der Anhieb und es setzt eine heftige Gegenwehr ein. Eine kapitale Nase hat die Bienenmade gepackt, die zum schonenden Fang auf einen widerhakenlosen 14er Haken aufgezogen ist. Plopp – die Spannung in der Schnur bricht auf einmal schlagartig ab, die Pose macht einen kleinen Satz und landet flach auf der Wasseroberfläche. Was ist passiert? Ist das feine 0,12er Vorfach etwa gerissen? Nein, die Kontrolle zeigt, dass das Vorfach gehalten hat. Die Nase hat es durch heftiges Schlagen mit dem Kopf geschafft, sich sang- und klanglos vom Haken zu befreien. Trotz größter Vorsicht beim Drill kommt es beim Einsatz von widerhakenlosen Schonhaken leider immer wieder einmal zu der geschilderten Situation.

Gedämpfte Fluchten

Bruno Mariani, experimentierfreudiger Perfektionist und Altmeister im Bologneseangeln, möchte sich mit diesem Phänomen jedoch nicht einfach so zufriedengeben. Einerseits liegt ihm das Wohlergehen seines Fangs am Herzen, sodass er mittlerweile nur noch ohne Widerhaken angelt. Andererseits möchte er aber auch nur so wenig Fische wie möglich im Drill verlieren. Nach langer Zeit des Kopfzerbrechens und einigen Fehlversuchen hat er nun die Lösung gefunden. Ganz nebenbei wurden von ihm auch gleich noch einige andere Aspekte des herkömmlichen Posenangelns mit der Wurfrute optimiert. Des Rätsels Lösung heißt Expander-Rig. Beim Einsatz der Kopfrute fiel es Bruno Mariani auf, dass er hierbei deutlich weniger Fische am Schonhaken verliert als mit der Bologneserute. Das Geheimnis liegt in der Elastizität des Gummizuges, der bei Kopfruten in den obersten Rutenteilen steckt. Zusätzlich zur eigentlichen Rutenaktion dämpft es die Fluchten der Fische ab und reagiert auch vollkommen verzögerungsfrei auf heftigstes Kopfschütteln. Wenn sich bei einer normalen Montage so der Zug auf den Haken wegen der Trägheit des Gesamtsystems für einige Sekundenbruchteile abschwächen kann, ist er mit Gummizug stets konstant. Der Fisch bekommt auch beim heftigsten Kopfschütteln nie die Möglichkeit, Spannung aus der Schnur zu nehmen und sich so vom Schonhaken zu lösen.

Material aus dem Baumarkt

Das Expander-Rig ist ein elastisches Stück Latexgummi, das in eine normale Posenmontage an der Bologneserute zwischengeschaltet wird. Hierzu werden zwei Mikro-Wirbel verwendet und an den Enden des Gummizugs befestigt. Zwar könnte man hierfür einfache Knoten benutzen, diese haben aufgrund ihres Volumens aber einen recht hohen Strömungswiderstand im Wasser. Außerdem ist es wegen der Steifheit des Latexgummis schwierig, dass so zusammengeknotete Expander-Rig dann auch vollkommen gerade in einer Linie zusammenzufügen. Deshalb benutzt der Tüftler lieber Klemmhülsen zum Befestigen des Gummizugs an den Wirbeln. Das System mit den Klemmhülsen ist das Gleiche wie bei Raubfischanglern, die damit ihre Stahlvorfächer bauen. Allerdings bevorzugt Bruno Mariani die etwas leichtere Variante mit Kabelendhülsen aus dem Elektrobedarf. Das weichere Material dieser Hülsen verhindert zuverlässig Beschädigungen am Gummizug beim Festklemmen. Allerdings gibt es unterschiedliche Qualitäten von Gummizügen auf dem Markt. Für den Einsatz im Expander-Rig sollte man unbedingt darauf achten, eine hochwertige Qualität mit hoher Tragkraft zu verwenden. Der von ihm eingesetzte Gummizug hat eine Zugbelastbarkeit von mehr als 300 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Das fertige Expander-Rig wird zwischen Bebleiung und Pose in die Hauptschnur eingesetzt. Diese Positionierung oberhalb der Schrotbleie verhindert, dass der Gummizug mit Hindernissen am Grund in Berührung kommen und so beschädigt werden könnte. Je nach verwendeter Vorfachstärke kann man noch mit Länge und Durchmesser des Gummizugs experimentieren. Bewährt haben sich die Durchmesser 1,2; 1,4 und 1,6 Millimeter. Längen zwischen 7 und 10 Zentimeter sind, je nach Vorfachstärke und Aktion der Rutenspitze, optimal.

Feines Vorfach für mehr Bisse

Durch die Elastizität des zwischengeschalteten Gummizugs erhält man noch einige weitere Vorteile. So kann man beispielsweise Vorfächer einsetzen, die deutlich dünner sind, als man sie normalerweise benutzen würde. Das Risiko eines Schnurbruchs wird fast komplett eliminiert, da der Gummizug zuverlässig die im Drill entstehenden Belastungsspitzen abdämpft und die Energie somit absorbiert. Auf diese Weise kann man dank des dünneren Vorfachs gerade unter schwierigen Bedingungen deutlich mehr Bisse verzeichnen. Andererseits kann man mit dem Expander-Rig auch Ruten einsetzen, die eigentlich viel zu steif für den angestrebten Einsatz sind und somit nicht mit ultrafeinen Vorfächern harmonieren. Um dies zu beweisen, hat Bruno Mariani für die Fotos dieses Beitrags extra das Modell Steelhead von der Firma Flotex eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Rute, die eigentlich zum Posenangeln auf kapitale Karpfen oder aber zum Stellfischangeln auf Raubfische entwickelt worden ist. Die sehr steife Rute verlangt normalerweise nach Schnurstärken um die 0,25 Millimeter und einer entsprechend groben Montage. Dank des Expander-Rigs konnte er problemlos ein 0,12er Vorfach an einer 0,14er Hauptschnur verwenden. Mit dem Gummi in der Montage kann man also auch das Einsatzspektrum seiner Ruten deutlich vergrößern.

Weniger Aussteiger im Sprung

Durch den Gummizug werden Fehler im Drill viel eher verziehen als bei herkömmlichen Montagen. Somit ist das Expander-Rig auch gerade für Neueinsteiger ins (Posen-)Angeln eine sehr interessante Erfindung. Selbst bei springfreudigeren Fischarten wie etwa Forellen oder Äschen fällt es schwer, die Schnurspannung während des Sprungs einmal völlig abbrechen zu lassen. Somit reduziert sich die Zahl der im Drill verlorenen Fische deutlich. Außerdem zeigte sich beim Testen, dass Fische am Expander-Rig schneller ermüden als an einer herkömmlichen Montage. Eine kürzere Drillphase ermöglicht es, den Fisch schneller wieder vom Haken befreien zu können und kommt damit sowohl dem Angler als auch der Beute gleichermaßen entgegen. Bei stark verzögerter Führung der Pose kommt es mit dem Expander-Rig oft auch dazu, dass sich Fische beim Biss nahezu selber haken. Hierzu darf das Vorfach allerdings nicht zu lang sein.  Eine Länge von 22 Zentimeter brachte die besten Selbsthak-Ergebnisse. Anders als man anfangs denken könnte, unterstützt die zusätzliche Elastizität des Gesamtsystems den Anschlag sogar noch. Normalerweise reichte es daher völlig aus, die Rute beim Biss nur ganz leicht anzuheben, um den Haken sicher und schonend im vorderen Maulbereich des Fisches greifen zu lassen.

Variable Bleikette

Allerdings gilt es, ein paar Kleinigkeiten zu beachten, wenn man das Expander-Rig einsetzt. Der Gummizug hat ein gewisses Eigengewicht, das man beim Austarieren der Pose mitberechnen muss. Ein 10 Zentimeter langes Expander-Rig mit einem Durchmesser von 1,4 Millimeter bringt es mit seinen zwei Mikrowirbeln und den Klemmhülsen auf etwa ein halbes Gramm. An ultrafeinen Posenmontagen kann dies unter Umständen zu leichten Unausgeglichenheiten der Gesamtbebleiung führen. Posen mit einer Tragkraft unter 0,72 Gramm sind auch kaum einzusetzen, da für diese das Expander-Rig schlicht und einfach zu schwer ist. Darüber hinaus muss man immer bereits beim Aufbau der Garnitur die Gesamtlänge seiner Bebleiung festlegen. Ein späteres Auflockern der Bebleiung durch das Nach-oben-verschieben einzelner Bleie wird durch das zwischengeschaltete Expander-Rig verhindert. Hier kann man aber bereits von Anfang an einen gewissen Spielraum mit einplanen. Wenn man die Fische nicht gerade beim Abfallen des Köders im Mittelwasser fangen möchte, ist für einen variablen Bebleiungsbereich eine Länge von 50 bis 70 Zentimeter völlig ausreichend. Bei der Bebleiung rät Bruno Mariani beim Verwenden eines Expander-Rigs anfangs von einer Torpille ab. Um die ersten Erfahrungen zu sammeln, ist es deutlich besser, auf eine Bleikette zu setzen, da man sie viel variabler anordnen kann. Wenn sich der Köder kaum in der Strömung auf und ab bewegen soll, wählt man einfach die so genannte Bulk-Bebleiung – eine kompakte Form der Bebleiung. Durch das Zusammenschieben der einzelnen Bleischrote erreicht man so nahezu den gleichen Effekt wie mit einer Torpille. Trotzdem hat man so immer die Möglichkeit, auf sich veränderndes Beißverhalten zu reagieren und die Bulk-Bebleiung in eine aufgelockerte Bleikette umzuwandeln. Durch Semi-Bulk-Bebleiungen sind auch Zwischenstufen schnell einstellbar, bei denen der Köder weder vollkommen hart am Grund, noch extrem freibeweglich über dem Grund präsentiert wird. Zudem kann man auch über die Vorfachlänge Einfluss auf die Art der Köderpräsentation nehmen, so dass man durch das Zwischenschalten des Expander-Rigs in die Montage keinerlei Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Ob sich Bruno Marianis Erfindung bei der breiten Masse durchsetzt, wird sich zeigen. Aber vielleicht hängt demnächst ja auch bei Ihrem Fachhändler ein Tütchen mit einem Expander-Rig im Regal …


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