Der Aal in der Krise: Schlägt der Spiegel falschen Aalarm?

In einem großen Artikel schreibt der Spiegel über das Aussterben des Aals und schlägt „Aalarm“. Doch stimmt das? Nicht, wenn Angler es verhindern können.

Seit vielen Jahren engagieren sich Angler für die Erhaltung des Aals. Doch das wird nicht gesehen – stattdessen ist für viele ein Fangverbot die letzte Option. Foto: Florian Büttner / DAFV

Bild: Florian Büttner / DAFV

Seit vielen Jahren engagieren sich Angler für die Erhaltung des Aals. Doch das wird nicht gesehen – stattdessen ist für viele ein Fangverbot die letzte Option.

Vor einigen Tagen veröffentlichte der Spiegel einen großen Bericht über den Zustand des Europäischen Aals. Vom „Fisch in der Krise – Aalarm!“ ist die Rede – und daran ist zunächst einmal nichts falsch. Dennoch bleibt der Artikel in seiner Darstellung dieses vielschichtigen Themas recht einseitig. Statt auf die Möglichkeiten einzugehen, die es zum Schutz des Aals gibt und die von Angelverbänden umgesetzt werden, bleibt am Ende nur eine Forderung: Ein vollständiges Fangverbot für Aale muss her.

Doch dieser Gedanke greift zu kurz. Wie der Deutsche Angelfischerverband (DAFV) in der Vergangenheit mehrmals aufzeigte, würde ein Fangverbot für Aale Konsequenzen nach sich ziehen, die für die Erhaltung der Art alles andere als förderlich wären. In einem offenen Leserbrief an den SPIEGEL zeichnet der Verband ein anderes Bild vom Aussterben der Aale. In voller Länge können Sie ihn hier einsehen.

Stirbt der Aal denn jetzt aus oder nicht?

Fakt ist: Der Bestand des Europäischen Aals ist in den vergangen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Damals, in der guten alten Zeit, machte allein dieser Fisch die Hälfte der Biomasse in europäischen Binnengewässern aus. Kanäle waren so voll von Aalen, dass Bauern die Fische zum Düngen auf ihre Felder schaufelten und sogar ihre Hühner damit fütterten. Das sind Vorstellungen, bei denen sich ein Angler heutzutage die Augen reibt. Gefolgt von inneren Schreikrämpfen, vermutlich.

Aber sind die Aale jetzt weg, auf Nimmerwiedersehen verschwunden? Das kann man so nicht stehen lassen, und auch die Autorin des Spiegel-Artikels gesteht ein, dass es dafür keine wissenschaftlichen Belege gibt. So weit, so gut.

Wasserkraftwerke, wie die Anlage in Lith, fordern jedes Jahr das Leben von zahllosen Aalen. Die Fische werden in den Turbinen regelrecht zerfetzt. Foto: Blinker-Archiv

Bild: Blinker-Archiv

Wasserkraftwerke, wie die Anlage in Lith, fordern jedes Jahr das Leben von zahllosen Aalen. Die Fische werden in den Turbinen regelrecht zerfetzt.

Eine Milliarde Glasaale an unseren Küsten

Jedes Jahr erreichen über eine Milliarde Glasaale die Küsten Europas. Das zeigen Modellrechnungen des ICES. Doch für den Aal fangen die Probleme ja genau da erst an! Denn Fakt ist auch: Die Flüsse von heute sind andere als die Flüsse von damals. Der Aal hat durch menschliche Einflüsse einen großen Teil seines natürlichen Lebensraums nicht nur verloren. Durch Wasserkraftwerke und Staudämme haben sich die Flüsse sogar in regelrechte Todeszonen für die Fische verwandelt. Man kann also auch nicht behaupten, dem Aal gehe es gut. Das wäre angesichts der Tatsache, dass jeder fünfte Fisch „im Schredder“ der Turbinen landet, ein Trugschluss und genauso falsch.

Der Schmuggel mit Glasaalen: Ein wahrer Grund für „Aalarm“

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das man gar nicht überschätzen kann. Denn die Glasaale, die unsere Küstengewässer erreichen, werden nie die Chance haben, mit unseren hervorragenden Wasserkraftwerken Bekanntschaft zu machen. Sie werden abgefangen, verschifft – und landen als Delikatesse vor allem auf asiatischen Fischmärkten. Der illegale Handel mit Glasaalen ist laut Europol der „größte, lukrativste  Handel mit geschützten Spezies weltweit“.

Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Früher haben Bauern die Fische als Dünger benutzt. Und heute sind sie so begehrt, dass Schmuggler mit ihnen Unmengen an Geld scheffeln.

Grund all des Ärgers mit illegalem Fang und Schmuggel ist das hier: Unagi, gegrillte Aalfilets in Sojasoße. In China und Japan als „Unadon“ auf Reis sehr beliebt. Foto: Pixabay / gumigasuki

Bild: Pixabay / gumigasuki

Grund all des Ärgers mit illegalem Fang und Schmuggel ist das hier: Unagi, gegrillte Aalfilets in Sojasoße. In China und Japan als „Unadon“ auf Reis sehr beliebt.

Ein Fangverbot würde diesen Umstand noch verschärfen. Der Mensch schützt schließlich nur das, was er kennt. Wie der DAFV treffend beschreibt: „Welchen Kriminellen kümmert ein Fangverbot, wenn er mit einem Kescher bewaffnet mehrere tausend Euro in einer dunklen Nacht am Flussufer verdienen kann, in dem er die Babys eines Fisches fängt, den Dank des Fangverbots niemand mehr kennt oder geschweige denn mal zu Gesicht bekommen hat?“

Ein Fangverbot für den Aal zu verhängen, würde also bedeuten, dass Schmuggler einfach weitermachen – während alle anderen einfach nicht mehr hinschauen. Ein bisschen ist das wie im Netflix-Film „Don’t Look Up“, von dem letztens noch das ganze Internet gesprochen hat. Nicht hinsehen, dann haben wir auch kein Problem. Kann das die Antwort sein?

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Lichtblicke für die Erhaltung des Aals

Derzeit gibt es zum Glück viele Lichtblicke, die Angler hoffen lassen dürfen. Auch dank ihres eigenen Einsatzes! So ist es europäischen Anglern und Fischern zu verdanken, dass sich die Bestände wieder besser entwickeln. So hat sich die Sterblichkeit bei der Glasaalfischerei drastisch verringert (von 42 Prozent in 2007 zu heute noch 7 Prozent). Durch den Eel Stewardship Fund (ESF) gibt es außerdem Maßnahmen, die zur Erholung des Bestandes beitragen. Zu guter Letzt ist auch die kommerzielle Fischerei auf Aale eingeschränkt worden. Einige Länder haben sie komplett verboten, andere halbiert oder stark reduziert.

Trotz Aalarm: Darf man hoffen?

Wie der DAFV in seiner Stellungnahme umfangreich dargestellt hat, ist „Aalarm“ nicht wirklich angebracht. Andererseits darf man nun auch nicht den Kehrschluss ziehen und so tun, als ob es dem Aal wieder uneingeschränkt bergauf geht. Trotz aller Besatzmaßnahmen, trotz eingeschränkter Fischerei handelt es sich beim Europäischen Aal immer noch um eine bedrohte Art. Jährlich sterben unzählige Aale an menschgemachten Einflüssen. Ein riesiger Anteil stirbt durch Turbinen und verbaute Gewässer. Ein anderer landet als Schmuggelware auf dem Schwarzmarkt.

Der Einfluss von Anglern auf ein Aussterben des Aals wäre daher überschätzt, und ein Fangverbot wäre dem Schutz der Fische nicht zuträglich. Während die Öffentlichkeit nämlich wegschaut, machen die wahren Schuldigen nämlich munter weiter. Schmuggler werden weiter schmuggeln, Kraftwerke werden weiter schreddern.

Dann und wann darf man sich also freuen, selbst mal wieder einen schönen Aal gefangen zu haben. Die Gemeinschaft der Angler in Europa tut schließlich alles dafür, dass es so bleibt. Und sie dürfen auf keinen Fall damit aufhören.

Die neuesten Kommentare

28.02.2022 14:56:38
Ein komplettes und radikales Fangverbot auch für Angler ist kontraproduktiv.Zunächst sollte man den illegalen massenhaften Glasaalexport nach Asien wirksam bekämpfen und dann die Shredderung der aufsteigenden Aale in den Turbinen der Wasserkraftwerke und Stauwehre unterbinden.Dadurch ließe sich vermutlich der Aalbestand in unseren Flüssen wieder signifikant erhöhen.
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