Blick in eine der 39 Kammern

Besichtigung des größten Fischpass in Europa/ Staustufe Iffezheim 

Als Angler sollte man immer sehr weitsichtig denken, das heißt man sollte sich nicht nur fürs Angeln an sich, sondern auch für die Natur an sich, den ganzen komplexen Zusammenhang interessieren.

Denn das Eine hängt unmittelbar mit dem anderen Zusammen: Nur in einer halbwegs intakten Natur können wir unserem Hobby nachgehen. Und so mussten wir auch nicht lange überlegen, als wir eine Einladung von unserem Landesfischereiverband bekamen. Eine Besichtigung der Iffezheimer Staustufe und des größten Fischpass Europas, zudem unter professioneller Führung, stand bevor. Da ließen wir (Dennis und Rüdiger) vom TEAM Fish&Nature uns natürlich nicht zweimal bitten. Mal ehrlich: Wann hat man dazu schon mal die Möglichkeit? Also fuhren wir am Samstag den 13.07.02 gen Iffezheim und waren gespannt, was uns dort erwartete. Hatten wir doch schon viel darüber gehört und gelesen, vor allem im Zusammenhang mit den Projekt „Lachs 2000“. Ein paar Eckdaten zu dem Fischpass: Länge = 300m, 3 Eingänge, 39 Kammern à 15m², 4 % Gefälle, Videoüberwachung, Beobachtungsglas. Die Kammern sind über 45cm breite Schlitze miteinander verbunden, durch die die Fische schwimmen können. Das Wasser wird so durch die Kammern geleitet, dass es ruhige Zonen gibt, in denen die Fische pausieren können. Zuerst wurde uns ein Film vorgeführt, den die ENBW anlässlich des Baus der Staustufe und dem dazugehörigen extra gedreht hat. Iffezheim liegt unmittelbar bei Rastatt, ganz in der Nähe von Baden-Baden im schönen Schwarzwald. Diese Staustufe ist nur eine von insgesamt 11 Stück, die aufgrund der Rheinregulierung und sicheren Beschiffbarkeit gebaut wurden. Die Staustufe hat zwei Aufgaben: zum einen dienst sie zur Regulierung des Wasserstandes, zum anderen soll sie Strom produzieren. Aus einer Höhe von 11m drückt der Wasserdruck das Wasser durch 4 große Turbinen, Durchmesser je ca. 5 Meter. Diese Turbinen erzeugen genug Strom, um eine Stadt von der Größe wie Heidelberg ein Jahr lang mit Strom zu erzeugen. Auf die vielen Komplexen Zusammenhänge wie Regulierung des Wasserstandes in enger Zusammenarbeit mit den anderen Staustufen möchte ich hier nicht eingehen, das wird sonst zu umfangreich und sehr theoretisch. Ich war jedenfalls froh, als man uns den Fischpass gezeigt und erklärt hat. Doch was macht diese Staustufe so besonders, was weckt das Interesse der Angler? Uns allen dürfte „Lachs 2000“ ein Begriff sein. Diese Wanderfische sollen, wie z.B. auch die Meerforelle, im Rhein wieder eingebürgert werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Fische zum Laichen überhaupt den Rhein hinaufwandern können, um in die Laichbäche zu gelangen (die sich fast alle auf französischer Seite befinden). Aber warum ausgerechnet ein Fischpass und nicht wie bisher üblich eine Fischtreppe? Mit einer Fischtreppe wird nur wanderlustigen Fischen wie den Forellenartigen der Aufstieg ermöglicht. Friedfische wie z.B. Brachsen können nicht springen (Treppen steigen), weshalb diesen Fischen ein Aufstieg unmöglich gemacht wurde. Also haben sich die Ingeneure Gedanken gemacht und einen Fischpass gebaut, den alle Fische annehmen können. Das alles geschah natürlich in ganz enger Zusammenarbeit mit Fischereibiologen, Umweltorganisationen, Fischereibehörden und Verbänden. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Doch zuerst einmal muss der Pass überhaupt angenommen werden, das heißt er muss für Fische attraktiv gemacht werden. Das erzeugt man a) durch eine Lockströmung und b) durch Sauerstoff. Man muss sich das ganz einfach aus der Sicht der Fische vorstellen. Nach langem Weg kommen sie nun am Stauwehr an, vor Ihnen eine riesige Betonwand, riesige Strömungen und Wirbel hervorgerufen durch die Turbinen. Es scheint einfach nicht weiter zu gehen. Doch halt, was ist das? Seitlich drückt eine leichte Strömung ins Auslaufbecken, die zudem noch Sauerstoff mitbringt. Hier muss es also weitergehen, also nix wie rein. So machen sich dann die Fische auf von Kammer zu Kammer, bis sie nach 300m und einigen Verschnaufpausen (die sie in einer der vielen Kammern machen können) oberhalb der Staumauer wieder weiterschwimmen können. Die 2 Eingänge für die „sportlichen“ Fische… Oben habe ich bereits erwähnt, dass es insgesamt 3 Eingänge hat: zwei für strömungsliebende Fische und „Springer“ wie z.B. Forellen und Barben. Dieser Eingang liegt direkt neben der Staumauer, im turbulenten Auslauf des Turbinenkanals. Einen etwas gemächlicheren Eingang gibt es weiter unten, im ruhigen Wasser. Dieser Eingang ist für die „gemächlicheren“ Fische gedacht. Beide Fischarten haben eines gemeinsam: sie wurden durch die Lockströmung und den erhöhten Sauerstoffgehalt angelockt, der durch eine eigens für den Pass arbeitende kleine Turbine erzeugt wird. Natürlich wurden die Wanderungen der Fische genauestens überwacht und protokolliert: 1,5 Jahre lange wurde JEDEN Tag eine Reuse aus einer der Kammern gehoben. Die Fische wurden allesamt gemessen, gewogen, registriert und zum Teil mit Peilsendern versehen. Dies geschah in sehr enger Zusammenarbeit mit Frankreich, den der Pass befindet sich auf französischer Seite. Einige der so mit Sendern markierten Lachse konnten so bis an ihre Laichplätze verfolgt werden. Genau an diesen Laichflüssen werden nun verstärkt Lachseier aus Irland eingesetzt. In so eine Reuse passt viel rein… Seit Anfang dieser Woche wird wieder täglich die Reuse (eine riesige, extra für diesen Zweck aus Edelstahl gefertigte Reuse, die per Kran befördert wird) gezogen, um das Wanderverhalten der Lachse genau zu studieren. Denn das Projekt Lachs 2000 soll weiter ausgebaut werden. Es ist zwar ganz interessant, was in den 1,5 Jahren so alles gezählt wurde, aber es war auch sehr ernüchternd. Ganze 158 Lachse wurden gezählt, der Größte maß 98 cm und dazu einige Meerforellen. Das ist natürlich für so ein großes Gewässer wie der Rhein nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Erfreulich war jedoch, dass auch einige Meerneunaugen den Weg nach Iffezheim gefunden haben und dass die für den Rhein als ausgestorben gemeldeten Maifische auch entdeckt wurden. Zwar insgesamt nur 8 Stück, aber immerhin gibt es diese Fischart doch noch. Am häufigsten wandert der Leitfisch dieser Gewässerregion, die Barbe. Dicht gefolgt von den dort nicht sehr beliebten Rapfen, die sich wie die Pest ausbreiten. In den Kammern, die eine Tiefe von ca. 1,5 Metern haben, wimmelt es nur so von Aalen…(aber wie lange noch)? Am Grund der Kammern wurde große Steinen versenkt, zwischen denen sich die Aale sehr wohl fühlen. Mittlerweile wachsen auch schon Algen auf den Steinen und eine Fauna an Kleinlebewesen hat sich eingebürgert. Fast hat es den Anschein, dass der Fischpass ein kleiner Bach geworden ist. Das spannendste für uns war natürlich der Gang in die Beobachtungskammer: man steht wie vor einem riesigen Aquarium, Größe des Schauglases: etwa 2 x 1,5 mtr. Bedingt durch die natürliche leichte Trübung des Rheins und der vielen Sauerstoffperlen, haben wir leider keinen Fisch entdeckt. Der Blick auf den Bildschirm der Videoüberwachung brachte auch nicht mehr Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt wollten einfach keine Fische aufsteigen. „Big Brother“ is watching you, die Videoüberwachung… Wie lange dauert es eigentlich, bis ein Fisch den Pass überwunden hat? Eine Meerforelle wurde kurz nach Eintritt in den Pass gefangen, markiert und wieder vor dem Pass in den Rhein gesetzt. Als der Fisch wieder in den Eingang schwamm, wurde die Stoppuhr gedrückt. Exakt 4 Stunden später kam die Meerforelle oben an und setzte die Reise fort. Eine Staustufe oberhalb von Iffezheim soll die nächsten Jahre auch mit einem Fischpass umgerüstet werden. Hauptsächlich deshalb wurden auch die Kontrollen mit der Reuse gemacht um festzustellen, ob der Pass überhaupt von Fischen angenommen wird und sich so eine riesige Investition lohnt. Für uns bleibt nur zu hoffen, dass dieses Projekt Schule macht und bald noch mehr Staustufen umgebaut werden (und damit keine Barrieren mehr für Fische werden). Nur wenn alle Umdenken und an einem Strang ziehen, werden wir künftig noch mehr solcher Fischpässe an unseren Flüssen sehen. Und wer weiß: vielleicht gibt es ihn eines Tages wieder, den Rheinlachs. Ach ja, natürlich musste für mich als Raubfischfreak auch noch etwas lehrreiches dabei heraus springen und eine Frage musste einfach gestellt werden: wie viele Raubfische wurden denn gefangen und gezählt? Während der ganzen 1,5 Jahre, in denen täglich die Reuse gezogen wurde, kam nur ein einziger Wels zum Vorschein. Nach Meinungen der Experten was das ein Zufallsfang, der hatte sich wohl verirrt. Kein einziger Hecht wurde gefangen und nur eine handvoll kleinwüchsiger Zander mit einem Durchschnittsgewicht von 185 Gramm. Fazit: Raubfische sind Standortfische und keine wanderfreudigen Fische. Ich empfehle jedem, der mal in die Nähe von Iffezheim kommt sich zwei, drei Stunden Zeit zu nehmen und dieses vorbildliche Bauwerk zu besichtigen. In diesem Sinne: Pass auf! Euer Rüdiger (The Jigger) Bericht von Rüdiger Graf (The Jigger), vor Mai 2009


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