Christopher Kratz ist regelmäßiger Autor im BLINKER und bereist Angeldestinationen auf der ganzen Welt. Aktuell befindet er sich im Libanon, um Schwarzbarsche und mehr zu fangen. Einen detaillierten Report liest Du in einer kommenden Ausgabe, doch wir haben ihn schon jetzt nach seinen Eindrücken gefragt – auch angesichts der Lage im Nachbarland Israel.
Blinker: Hallo Christopher, wo genau bist Du im Augenblick unterwegs?
Christoper Kratz: Ich bin in Antelias, etwa 10 km nördlich von der Hauptstadt Beirut. Meine Mutter ist Libanesin, mein Vater Deutscher. Ich komme also nicht nur zum Angeln hierher, sondern habe auch Familie. Eigentlich bin ich jedes Jahr mindestens einmal im Libanon, allerdings habe ich es die letzten vier Jahre nicht geschafft. Umso schöner ist es, jetzt wieder hier zu sein.
Amberjacks und Zackenbarsche
Der Libanon ist ja nicht gerade als Reiseziel für Angler bekannt. Was fängt man hier?
Ich war am Wochenende unterwegs, um auf Amberjacks und Zackenbarsche zu jiggen. Die Thunfische sind leider schon weitergezogen, sonst hätte ich es da bestimmt auch noch versucht! Vor ein paar Tagen habe ich mit zwei Freunden auf Schwarzbarsche geangelt, und sowas habe ich wirklich noch nie erlebt. Zu dritt haben wir 150 Fische gefangen – wo kann man das schon?
Es ist schade, dass kaum jemand zum Angeln herkommt. Der Libanon ist ein westlich orientiertes Land, die Kultur sehr ähnlich zu unserer in Europa. Früher nannte man Beirut ja auch das „Paris des mittleren Ostens“. Trotzdem ignorieren viele Touristen dieses wunderschöne Land. Das hat vermutlich auch mit der Situation in Israel und dem Gazastreifen zu tun.
Wo Du es ansprichst: Wie nehmen die Menschen, denen Du in Beirut begegnest, die Situation in Israel wahr?
Erstaunlicherweise sehen viele Leute hier die Lage sehr gelassen. Sie sind den Konflikt seit Jahrzehnten gewohnt. Ich selbst bin hier gewesen, als im Juli 2006 der Krieg zwischen Israel und Hisbollah passiert ist. Dabei gab es auch mehrere Luftangriffe auf den Libanon.
Das Leben geht hier für die Menschen „normal weiter“. Sie sind mit der Wirtschaftskrise beschäftigt, und man merkt immer noch die Nachwirkungen der Explosion in Beirut im Jahr 2020. Das hat hier einiges durcheinandergebracht. Der Libanon ist zwar ein von Krisen geplagtes Land, aber gleichzeitig sind die Leute in gewisser Weise „resistent dagegen“. Diese Lebensweise habe ich zum Beispiel in Deutschland nicht erlebt, wo man nur von den Krisen liest und sie beobachtet.
Libanon derzeit nicht im Zentrum des Konflikts
Eine gewisse Gelassenheit brauchst Du wahrscheinlich auch, wenn Du jetzt angeln gehen kannst.
Für mich hat sich gar nicht die Frage gestellt, ob ich angeln gehen soll oder nicht. Ich werde auch in den nächsten Tagen wieder am Wasser sein, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Wie gesagt, in Beirut herrscht für die Menschen mehr oder weniger „Alltag“, trotz der Situation im Nachbarland. Natürlich ist ihnen bewusst, was dort geschieht. Israel ist flächenmäßig so groß wie Hessen, der Libanon sogar nur halb so groß. Es liegt also nur sehr wenig Distanz zwischen Beirut und dem Schauplatz des Konflikts, doch man könnte manchmal den Eindruck bekommen, dass hier trotzdem alles weit weg erscheint.
Hast Du Angst, dass Beirut wieder zu einem Ziel des Konflikts werden könnte?
In der unmittelbaren Gefahrenzone befinden wir uns derzeit nicht. Falls sich die Lage jedoch noch weiter verschärft, ist durchaus vorstellbar, dass Beirut zum Ziel von Angriffen wird. Aktuell ist aber zum Beispiel der Flughafen noch geöffnet, sodass ich mir keine Gedanken darüber mache, wie ich nach Hause komme. Und wenn es passiert, gibt es noch die Option, mit dem Boot über Zypern oder die Türkei das Land zu verlassen. Außerdem würde die deutsche Regierung Rückholaktionen starten, wie es auch in Israel passiert ist. Bis dahin geht das Leben hier weiter.