Es dauert eine Zeit, bis man sich die eigentlich bekannten Vorsichtsmaßnahmen verinnerlicht hat. Leicht sind die gut getarnten Bachforellen nicht zu erkennen. Meist sieht man sie erst, wenn sie erschreckt davonschießen. Kleinere beißen trotzdem, das lässt sich oft gar nicht vermeiden. Aufgrund der hohen Temperaturen von bis zu über 30 Grad Ende August habe ich mich entschlossen, an diesem Tag nicht selber zu fischen, sondern Martin Schoissengeier, den Bewirtschafter des Gewässers, „fischen zu lassen“. Er hat sich für „Wet Wading“ entschieden, mit Sandalen ans Wasser und dann barfuß am und im Wasser.
Die Flossen der Forellen sind enorm groß, fast wie Flügel
Langsam und vorsichtig pirscht er sich zwischen den Büschen am Ufer in eine Position, in der er einen längeren und tieferen Zug beobachten kann. Zwei schöne Bachforellen sind zu erkennen.
Bild: Bild: J. Prantler
Wilde Forellen sind scheue Fische, damit der Fang gelingt, muss man sich perfekt heranpirschen.
Eine der Forellen reagiert kurz auf die angebotene Fliege. Nach dem zweiten Wurf flüchten beide. Dann gehen wir an eine breite Schotterbank in einer weiten Kehre, von unterschiedlich tiefem Wasser umflossen. Wieder nähern wir uns mit Bedacht. Martin begibt sich in eine gute Wurfposition, ohne ins Wasser zu steigen. Mit wenigen Leerwürfen außerhalb des Sichtfensters der Fische bringt er Schnur in die Luft und es gelingt ihm, den Forellen mit genügend Vorhalt die Fliege vorzusetzen. Fast jeder Wurf ein Fisch!
Bild: M, Schoissengeier
Alle Fische in der Steinberger Ache stammen aus dem Gewässer: ein völlig natürlicher und dennoch sensationell guter Bestand, wie man ihn fast nirgends findet!
Die Fische sind klein bis halbwüchsig, was auf eine gute Altersstruktur im Bach hinweist. Ungewöhnlich stark für ihre Größe sind die Fische. Alles läuft perfekt und er kann traumhaft schön gefärbte Bachforellen mit Flossen groß wie Flügel landen. Ich erfahre: Praktisch jeder der Zuflüsse produziert Forellen, die sich im Körperbau, den Flossen und der Zeichnung unterscheiden. Martin kann in diesem Gewässer ingesamt fünf verschiedene Unterlinien der Bachforelle unterscheiden. Wir gehen den Bach hinauf und genießen das eindrucksvolle Bergpanorama. Immer wieder sehen wir großflächige Schotter-Abbrüche. „Hier war der Bach noch vor wenigen Wochen komplett zugeschüttet und das Wasser musste sich erst wieder einen neuen Weg graben“, erzählt mir Martin.
Bild: J. Prantler
Zum größten Teil ist das Gewässer absolut naturbelassen und auch auf Besatzmaßnahmen wird hier völlig verzichtet.
Der Fang ist letztlich doch nur das Sahnehäubchen …
Vorsichtig wandern wir am Bach entlang, müssen aber auch einige wilde Passagen durch den Wald umgehen. Martin bewegt sich fischend auf eine Stelle zu, wo der Bach durch enge Felsen fließt und dabei eine Reihe von etwas tieferen Gumpen gegraben hat. In geduckter Haltung nähert er sich und wirft die fischverdächtigen Stellen an.
Ein paar größere Bachforellen nehmen heftig die angebotene Nymphe, können nach kurzem Drill aber den Haken abschütteln. Die größeren Forellen im Bach können wir heute nicht fangen. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Temperaturen und dem glasklaren Wasser sind sie heute auch nicht ganz so willig, die angebotenen Fliegen zu nehmen. Aber allein schon, dass man in einem so idyllischen, alpinen Tal auf wilde Bachforellen fischen darf, ist ein ganz besonderes Erlebnis! Selbst wenn man nichts fangen würde (womit man immer mal rechnen sollte), wäre es das wert. Jeder Fisch, der die Fliege nimmt, ist nur noch ein Sahnehäubchen auf dieses großartige Erlebnis.
Wilde Bachforellen sind eine echte Herausforderung
Wilde Schluchten wechseln sich mit breiten Schotterbänken ab. Schier endlos geht es ein Gebirgstal hinauf. Atemberaubende Ausblicke jederzeit garantiert! Oft führt nicht einmal ein Weg entlang des Baches. So ein Revier findet man nicht leicht in den Alpen. Aber auch dieser Gebirgsbach ist nicht völlig frei von Eingriffen des Menschen. An mehreren Stellen wird der natürliche Lauf des Baches durch betonierte Sohlschwellen unterbrochen.
Bild: J. Prantler
Auch in diesem alpinen Traumgewässer findet man leider ein paar wenige Eingriffe des Menschen: Die einzigen Verbauungen, sind aber zum Glück nur betonierte Sohlschwellen.
Bachforellen gibt es trotzdem mehr als genug. Von vielen ganz kleinen bis hin zu einzelnen kapitalen Exemplaren mit über 50 Zentimetern. Eine Alterspyramide, wie sie in einem Gewässer mit natürlichem, gesundem und stabilem Fischbestand sein sollten – das man aber praktisch kaum mehr kennt. Klar sein sollte, dass in so einem Gebirgsbach Bachforellen über 30 Zentimeter zwar jeden Tag gefangen werden können, größere und erfahrenere Fische aber nicht einfach an die Fliege zu bekommen sind. Vielmehr sollte man sich über den zahlreichen Nachwuchs freuen und diesen schonend zurücksetzen.
Wilde Bachforellen sind scheue Gesellen! Entsprechend umsichtig sollte man sich verhalten. Die Annäherung ans und die Bewegung am Wasser sollten gut überlegt werden. Auch die Positionen, wie man die Standplätze anwirft. Jeder Wurf sollte mit Bedacht gemacht, Leerwürfe so weit möglich reduziert werden. Oft hat man auf einen guten Fisch nur wenige, manchmal sogar nur genau einen Wurf. Nimmt der Fisch nicht, sollte man weiterziehen oder eine lange Pause machen.
Bild: M, Schoissengeier
Die größeren Fische sind eine besondere Herausforderung und bestrafen jeden Fehler des Anglers sofort: Manchmal hat man nur einen einzigen Wurf!
Alle sagten: „Das wird nie was!“
Vor mehr als 10 Jahren, als Martin Schoissengeier „Fliegenfischen mit Herz“ gründete und die Bewirtschaftung der Steinberger Ache übernahm, sagten alle in seinem Umfeld: „Lass das! Aus dem Gewässer kannst du nie was Vernünftiges machen!“
Martin war anderer Meinung. Mühsam baute er einen immer größeren und stabileren Bestand an Urforellen auf, der sich selber vermehrt. Ganz ohne Besatzmaßnahmen. „Dumme Besatzfische brauche ich und will ich nicht in meinem Gewässer haben. Die würden in meinem Bach auch nicht lange überleben“, sagt er dazu.Selten habe ich ein so authentisches Unikat wie Martin Schoissengeier getroffen. Er lebt das Hegen und Pflegen seiner Gewässer und deren Bewohner wie kaum ein anderer. Ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge am und im Wasser prägen all sein Denken und Handeln. Mit viel Hingabe und Durchhaltevermögen hat er es geschafft, dass laut unabhängigen Kontrollbefischungen ein Gebirgsbach den sensationellen Fischbestand von durchschnittlich über 1.000 Fischen oder bis zu 78 kg pro Hektar hat.
Und das sogar im oberen Teil der Strecke, die potentiell einen geringeren Fischbestand hat, als die breitere untere Strecke. Wer diese Zahlen interpretieren kann, weiß, was das für ein Gewässer bedeutet, das nicht besetzt wird und in der oberen Bachforellenregion liegt. „Mein Ziel ist es, dass dieser Bach auch noch in 100 Jahren wilde Bachforellen hat“, sagt Martin dazu.
Steinberger Ache
Das Revier hat eine Länge von 12 Kilometern. Tageskarten gibt es limitiert von April bis Ende September. Jedes Jahr werden entsprechend der Produktivität des Gewässers Entnahmeregeln festgelegt. Derzeit gilt: Die Entnahme einer Bachforelle innerhalb eines Entnahmefensters von 25 bis 27 cm ist erlaubt.
Es wird auch Guiding angeboten, was unbedingt empfehlenswert an diesem Gewässer ist. Eine Berghütte mit Blick auf das sensationelle Bergpanorama des Rofan zum Übernachten kann gemietet werden. Ohne Handy-Empfang und ohne GPS-Signal inclusive.
Einen Blick ist auch der „Fliegenfischen mit Herz“-Onlineshop wert, insbesondere auf die fängigen Fliegen und das sehr lobenswerte Projekt von Frauen in Afrika dahinter, die sich damit ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit sichern.
Lizenzen und weitere Informationen:
„Fliegenfischen mit Herz“
Martin Schoissengeier
Telefon: +43 650 9194771
Steinberg am Rofan – Fliegenfischen mit Herz
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