Der Biss ist kaum zu spüren. Die Schnur schnellt bereits von der Rolle, als mir klar wird: Da hängt was! Der Fisch zieht zwanzig, dreißig Meter Leine, bevor ich ihn langsam an die Oberfläche führen kann. Auf halbem Weg folgt ein zweiter, wuchtiger Fluchtversuch. Ein Pollack hat meinen Gummifisch gefressen. Kein Zweifel. Kein anderer Fisch in diesen Gewässern ist so explosiv bei der ersten Flucht. Der Köhler ist eher ein Ausdauerathlet, der Dorsch ein Schwergewichts-Ringer – aber der Pollack ist ein echter Sprinter. Direkt neben dem Boot kann ich ihn in der Oberfläche abhaken, ohne ihn überhaupt aus dem Wasser zu heben. Frischer Pollack ist ein Traum – perfekt für Fischbuletten oder die maritime Variante des „Wallenbergare“, ein schwedischer Klassiker der Hausmannskost. Doch das Abendessen ist gesichert, und diese Fische dürfen zurück ins Meer.
Bild: A. Nicander
Pollacks findet man nicht nur an Steilwänden, auch an flacheren Strecken fühlen sie sich wohl. Man kann sie fast überall fangen.
Der Pollack liebt steile Wände, das ist sicher
Unser Boot liegt so dicht an der Felswand wie möglich. Der Aufwand, mit dem eigenen Boot bis hierher nach Norwegen zu reisen, hat sich gelohnt. Der Wind weht unvorhersehbar in alle Richtungen, aber der GPS-gesteuerte E-Motor hält uns punktgenau über der steilen Kante – genau dort, wo die Pollacks jagen. Neuer Wurf. Der Gummifisch sinkt langsam in die Tiefe, Richtung Pollack. Vierzig, vielleicht sogar fünfzig Meter geht es hier senkrecht nach unten. Nur hundert Meter weiter draußen fällt der Fjordboden auf zwei- bis dreihundert Meter ab. Die Fische stehen überall entlang der Steilwand – doch besonders oft kommt der Biss direkt unterm Boot. Ob der Pollack schon oben steht oder dem Köder aus der Tiefe folgt, weiß niemand. Sicher ist nur: Er liebt steile Wände und Kanten, die schräg ins Tiefe abfallen.
Fantastische Sportfische
Kaum beginne ich beim nächsten Versuch zu kurbeln, hängt schon wieder etwas – aber diesmal geht es langsamer und schwerer zur Sache. Ganz klar: hier hat sich kein Pollack den Gummifisch geschnappt, sondern ein Dorsch. Ein paar Minuten später verlegen wir das Boot um zwanzig Meter. Hier ist es deutlich flacher. Ich werfe so nah an die Felsen, dass der Köder beinahe daran abprallt, bevor er sinkt – und fange sofort mehrere kleinere Pollacks um die ein Kilo. Die bislang kleinsten heute, denn die meisten liegen zwischen 2,5 und 3,5 Kilo. Fantastische Sportfische – und weit entfernt vom Maximum. Fische zwischen sechs und sieben Kilo sind keine Seltenheit. Exemplare mit sieben bis acht Kilo werden regelmäßig gefangen. Und wer Glück hat, trifft auf echte Giganten von neun oder sogar zehn Kilo.
Bild: A. Nicander
Steilwände sind beliebte Aufenthaltsorte von Pollack, sie lassen sich aber nur bei ruhigen Bedingungen oder mit Bugmotor gut beangeln.
Die richtige Technik bringt Fisch
Wie man an felsiger Küste erfolgreich auf Pollack mit Gummifisch fischt, habe ich von Anders Sandström gelernt. Er hat Pollack von Göteborg bis hoch nach Molde an der norwegischen Westküste gefangen – ausschließlich vom Ufer aus – und dabei Fische über 80 Zentimeter erwischt, sowohl in Schweden als auch in Norwegen. Die Methode stammt ursprünglich von den Britischen Inseln, wo das Pollack-Angeln große Tradition hat. Der Pollack kann phasenweise äußerst launisch sein. Schon kleinste Veränderungen in Köderführung oder Geschwindigkeit entscheiden darüber, ob er beißt – oder eben nicht.
Die Grundtechnik ist einfach: Den Köder auswerfen, vollständig zum Grund absinken lassen, dann gleichmäßig entlang der Wand hochkurbeln. Ist der Fisch träge, sind kleine Köder und eine sehr langsame Führung der Schlüssel zum Erfolg. Anders verwendet gelegentlich Köder von nur sieben Gramm – das funktioniert allerdings nur bei sehr ruhigen Bedingungen. Strömung, Wind und Wassertiefe machen den Einsatz solch leichter Köder oft unmöglich. Gängiger sind Gewichte zwischen 15 und 40 Gramm – letzteres besonders an den tief abfallenden Küsten Norwegens.
Bild: A. Nicander
Hier ein Westin Sandy Andy mit nicht-originalem Kopf – achten Sie bei den Sandaal-Gummis darauf, dass der Schwanz gut spielt.
Die besten Gummifische und Blinker für Pollack
Wer sich gern in Köderdetails verliert, wird das Pollack-Angeln lieben. Am besten funktioniert bei mir – und meinen Mitanglern – eine von zwei Varianten: schlanke, gegossene Küstenblinker oder Gummifische in Sandaal-Form. Beide sind lang und schmal, aber sie verhalten sich unterschiedlich im Wasser: Gummifische spielen lebhaft, auch bei geringer Geschwindigkeit. Küstenblinker dagegen gleiten eher gradlinig – und sind dennoch echte Pollack-Magneten. Vielleicht ist es die Form, die zählt. Denn nicht jeder schlanke Gummifisch funktioniert gleich gut.