Wasserkraftwerk Kostheim am Main: Katastrophale Verhältnisse

Vom Rechen zerquetscht und über ein Fließband in den Abfall beförderte Fische. Am Wasserkrafwerk Kostheim am Main herrschen unhaltbare Zustände. Dr. Roland Kuhn und G. Hoff-Schramm

2010 wurde dasKraftwerk Kostheim als das modernste Flusswasserkraftwerk am Main vorgestellt. Besonders hervorgehoben wurden die aufwändigen fischfreundlichen Schutzeinrichtungen.
Diese sollten belegen, dass eine ökologisch einwandfreie Energiegewinnung aus Wasserkraft möglich ist. Nun beweist eine wissenschaftliche Langzeitstudie über die Durchgängigkeit
des ?Muster-Wasserkraftwerks? in Kostheim endgültig die gravierenden Mängel in der Funktion von Fischauf- und Fischabstiegsanlagen

Der Verband Hessischer Fischer (VHF) hat bereits bei der Planung der Wasserkraftanlage Kostheim immer wieder darauf hingewiesen, dass die geplanten Fischwanderhilfen in dieser Form ihren Zweck, nämlich die Mortalitätsrate bei den das Wehr passierenden Fischen unter 10 Prozent zu halten, nicht erfüllen kann. Die Vorschläge der Fischereiverbände wurden weitgehend ignoriert, weshalb die Verbände auch eine Überprüfung der tatsächlichen Funktion der Anlage im Betrieb forderten und diese glücklicherweise gegen den Willen der Kraftwerksbetreiber, der Stadtwerke Ulm, durchsetzten. Nun ist es also  wissenschaftlich bewiesen. Die bislang gebauten Fischwanderhilfen können aufgrund schwerwiegender prinzipieller Fehleinschätzungen ihren Zweck nicht erfüllen. Sie sind praktisch funktionslos. Es ist den Wasserkraftwerksbetreibern aber immer noch möglich, den so erzeugten Strom als besonders umweltfreundlichen Ökostrom zu verkaufen.

Vor allem größere Aale werden durch Rechen und Turbinen des Kraftwerks letal geschädigt. Dr. Roland Kuhn und G. Hoff-Schramm

Vor allem größere Aale werden durch Rechen und Turbinen des Kraftwerks letal geschädigt. Dr. Roland Kuhn und G. Hoff-Schramm

Die systematische Funktionskontrolle der Fischauf- und Fischabstiegsanlagen sowie Erfassung der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main [1] wurde von der Bürogemeinschaft für Fisch- & Gewässerökologische Studien (BFS) im Jahr 2011 im Auftrag des Betreibers durchgeführt. Im Einzelnen erfasst die Studie die Überprüfung der tatsächlichen Passierbarkeit der am Kraftwerk installierten Wanderhilfen: eines Aal-Bypasses, eines Großsalmoniden-Bypasses (Lachse, Meerforellen) und einer Fischtreppe.Die Anforderungen, die verschiedene Fischarten für die Passage  stellen, sind nämlich sehr unterschiedlich. Dieser Umstand sollte in Kostheim durch mehrere verschiedene Einrichtungen adressiert werden. Nun der Supergau: Die Studie belegt die Funktionslosigkeit aller Wanderhilfen.Die Durchgängigkeit ist im Detail nicht nur für unterschiedliche Fischarten, sondern auch für unterschiedliche Körpergrößen der Individuen sehr verschieden. Grundsätzlich kommen große und damit fortpflanzungsfähige Tiere besonders stark zu Schaden. Zudem sind die Anforderungen beim Fischaufstieg ganz anders als beim Abstieg. Große Aale, die in Europa vom Aussterben bedroht sind, haben beinahe keine Chance. Hier kommen, wie eine Kontrolle der Schadensrate beim Turbinendurchgang ohne Rechenpassage zeigte, nur etwa 36 % der Aale über 70 cm Länge durch die Turbine selbst zu Schaden. Denn im normalen Betrieb erreichen die Aale die Turbine erst gar nicht, sondern werden größtenteils bereits vom Reiniger des 20 mm Rechens, der eigentlich das Eindringen von Fischen und von Treibgut verhindern soll, zerquetscht. Selbst bei für den Aal idealen Wanderbedingungen kommen mindestens 50 % der Tiere bereits im Rechen letal zu Schaden.  Sollte etwa ein einzelnes Tier durch Zufall diese Hürde gemeistert haben, kommt die Turbine erst noch. Forellen von 30 bis 40 cm kommen zumindest zu 48 % zu Schaden und bei anderen Fischarten sind die Zahlen vergleichbar. Selbst bei der insgesamt geringsten Schädigungsrate für eine einzelne Fischart in der am wenigsten kritischen Körperlänge wird die Forderung an die Funktion klar verfehlt. Hier liegt die Schädigungsrate bei 28 %, also bei dem dreifachen des beim Bau des Kraftwerks geforderten Wertes von unter 10 %. Main-aufwärts sind weitere 32 Wasserkraftwerke mit veralteter Technik und ohne wirksame Fischschutzeinrichtungen in Betrieb. Trotz aller dieser Erkenntnisse werden im Zuge der Energiewende weiterhin ablaufende Betriebsgenehmigungen von den Regierungspräsidien verlängert und neue erteilt. Die eigentlich gesetzlich vorgeschrieben Fischschutzeinrichtungen werden meist nicht erfüllt. (1) Schneider, J., Hübner, D. & Korte, E. (2012): Funktionskontrolle der Fischaufstiegs- und Fischabstiegshilfen sowie Erfassung der Mortalität bei Turbinendurchgang an der Wasserkraftanlage Kostheim am Main- Endbericht 2012. Studie im Auftrag der WKW Staustufe Kostheim/Main GmbH & Co.KG; Frankfurt am Main, 159 pp. PM Verband Hessischer Fischer


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