Fressfest an der Oberfläche
Vor einigen Jahren hatte mein Freund einen Ehekrach, als dieser seiner Frau erklärte, er wolle mit uns Fliegenfischerfreunden zum Abendsprung fahren. Erst als wir alle mit Fischereiausrüstung vor der Haustür standen und versicherten, dass der Abendsprung kein Besuch im Freudenhaus ist, durfte er mit. Aber wie erklärt man einfach den Begriff „Abendsprung“ und die dazugehörige Faszination eines Fliegenfischers mit dem Jagdinstinkt der Fische, wenn diese aufeinandertreffen?
Also von vorn: Die Oberflächenaktivität von Fischen am Abend oder am Morgen findet in unseren Breiten nur an warmen Tagen üblicherweise in den Sommermonaten statt. Ausgelöst wird diese durch verstärkte Insektenaktivität auf der Wasseroberfläche. Diese kann durch Eiablage und/oder Schlupf von Eintags- und/oder Köcherfliegen erfolgen. Steinfliegen im flugfähigen Stadium werden von den Fischen bei oder nach der Eiablage erwischt. Diese findet nach meinen bisherigen Beobachtungen nicht in der Dämmerung statt, sodass Steinfliegen imitatorisch für den Abend- oder Morgensprung keine Bedeutung haben.
Abendsprung ist intensiver als der Morgensprung
Nach meinen jahrelangen Beobachtungen ist der Abendsprung wesentlich intensiver als der Morgensprung. Nur in Amerika habe ich einen ähnlich starken Morgensprung wie Abendsprung erlebt. Es war dies am Missouri River unterhalb vom Holter Damm. Ausgelöst wurde dort der Morgensprung von Tricos, den kleinsten bekannten Eintagsfliegen. Am Abend hingegen dominierten kleine Köcherfliegen, die in Massen schlüpften. Allerdings sind diese Beobachtungen nur Momentaufnahmen, weil ich wenige Tage nur vor Ort war.
Im Sommer schlüpfen Eintagsfliegen eher am Abend
Eintagsfliegen leben nur wenige Tage, manche nur wenige Stunden. Während diesem kurzen flugfähigen (adulten) Stadium nehmen sie keine Nahrung und auch keine Flüssigkeit auf. Im Frühjahr ist ihre Aktivität um die Mittagszeit bis am frühen Nachmittag. So wie es im Jahresverlauf wärmer wird, verlagert sich diese Aktivität weiter in den Nachmittag. In den Sommermonaten schlüpfen Eintagsfliegen eher in den Abendstunden. Schlupfaktivität erfolgt jedoch auch tagsüber. Nur bemerkt man es oft nicht, weil bei warmen Temperaturen die Flügel der Eintagsfliegen sofort trocknen und diese unverzüglich ins schattige Ufergebüsch fliegen.
Abendsprünge an höher gelegenen kleinen und mittleren Gebirgsflüssen sind meist nicht spektakulär, dafür hat man an solchen Gewässern tagsüber eine anspruchsvolle Fischerei.
Auch Köcherfliegen schlüpfen vereinzelt tagsüber, jedoch gibt es in den Sommermonaten bei uns wenige Arten, die tagsüber einen Massenschlupf haben. Einen solch intensiven Massenschlupf tagsüber, wie viele Eintagsfliegen, hat nur die Grannom (Brachcentrus sp.), die ihre Hauptflugzeit im späten Frühling und Anfang Sommer hat.
Die wichtigsten Arten für den Fischer
Je mehr Fliegen einer Art gleichzeitig schlüpfen bzw. in der Dämmerung ihre Eier ablegen, umso wichtiger sind diese für uns Fliegenfischer. In Mitteleuropa sind mehr als 100 Eintagsfliegenarten nachgewiesen. Viele ähnliche Arten kann man mit Gruppenmustern imitieren. Einige unterschiedliche Arten will ich hier vorstellen.
Bild: W.Reisinger
Die Ephemerella ignita mit Eiballen wartet im Ufergebüsch auf die Dämmerung.
Ephemerella ignita (Blue Winged Olive [BWO] – Sherry Spinner)
In unseren Breiten ist sie die häufigste und am weitesten verbreitete Eintagsfliege ab Sommerbeginn bis Anfang Herbst. Im Hochsommer ist sie meist die Fliege, die beim Abendsprung dominiert. Am späten Nachmittag, wenn sich Schatten übers Wasser legt, beginnt ihre Schlupfaktivität, die sich bis zur Dämmerung und Dunkelheit steigert. Mit Beginn der Dämmerung sieht man Sherry Spinner, die am Tag zuvor geschlüpft sind, in großer Zahl über dem Wasser flussaufwärts fliegen.
Es sind großtenteils weibliche Spinner, die zu diesem Zeitpunkt bereits begattet sind und einen kugeligen, smaragdgrünen Eiballen am Hinterleibsende tragen. Über schnellfließendem, verblocktem, oft gischtendem Wasser werfen sie den Eiballen ab, um anschließend sterbend auf die Wasseroberfläche zu fallen, wo sie mit ausgebreiteten Flügeln in Spent-Stellung abtreiben. Bis zum Einbruch der Dunkelheit schlüpfen weitere BWOs, die dann am Abend des nächsten Tages ihre Eier ablegen. Beides, Sherry Spinner und schlüpfende BWOs, sind eine willkommene Beute für die Fische und lösen einen intensiven Abendsprung aus.
Bild: W. Reisinger
Dies ist der Mageninhalt einer Forelle, die in der Dämmerung gefangen wurde.
Ephemera danica (Green Drake – Gray/Black Drake)
Bild: W. Reisinger
Eine weibliche Ephemera danica – Grey Drake Maifliegenspinner – im Ufergebüsch.
Maifliegen treten an den klassischen Kreideflüssen im späten Frühjahr in großen Mengen auf und sind dort der absolute Höhepunkt der Flugangelsaison. Der Schlupf erfolgt meist zur Mittagszeit sehr oft mit einem zweiten Maximum am späten Nachmittag. Am Abend erfolgt der Spinnerfall. Dieser ist jedoch für die Fischerei nicht so spektakulär wie der Schlupf. Die Gründe sind einfach: Beim Schlupf werden männliche als auch weibliche Fliegen von den Fischen erwischt. Zur Eiablage kommen nur weibliche Tiere zur Wasseroberfläche zurück. Männliche Maifliegen sterben nicht auf der Wasseroberfläche. Außerdem werden viele Fliegen, männliche als auch weibliche, von den Vögeln gefressen.
Maifliegen kommen jedoch auch an anderen Gewässern vor, wo die Larven, die eine zweijährige Entwicklungsphase unter Wasser haben, keine idealen Lebensbedingungen vorfinden, aber Nischenbereiche besiedeln und sich dort entwickeln. Die Populationsdichte ist an solchen Gewässern deutlich geringer als an den klassischen Maifliegengewässern. Ich möchte hier die Gmundner Traun als Beispiel anführen, wo die Maifliege (nur Ephemera danica) auch vorkommt.
Heptagenia sulphurea (Yellow May Dun/Spinner)
Bild: W. Reisinger
Weibliche Heptagenia sulphurea, auch Yellow May Spinner genannt.
Eine Fliege, die tagsüber nicht von Bedeutung ist. Die Duns schlüpfen ab der Mittagszeit bis zum Abend, jedoch immer nur vereinzelt. Einen Massenschlupf wie bei vielen anderen Arten gibt es nicht. Man sieht selten mehr als eine Dun auf der Wasseroberfläche. Diese werden von den Fischen kaum beachtet. Bei der Eiablage an schönen Sommerabenden kommen sie jedoch in großer Zahl zurück an ihre Wohngewässer. Allerdings nie so viele wie bei einem Spinnerfall von Sherry Spinnern. Man findet sie auch in Fischmägen neben anderen Arten von Insekten, die am Abend von den Fischen gefressen werden.
Bild: W. Reisinger
Yellow May Spinner auf der Wasseroberfläche – Vorbild und Imitation.
Der enorme Vorteil dieser Eintagsfliege ist ihre Farbe. Die hellgelben Spinner sieht man auch bei schwindenden Lichtverhältnissen auf der Wasseroberfläche und hat eine sehr gute Bißerkennung, wenn die Spents von den Fischen eingesaugt werden.
Caenis-Arten (White Midge)
Die einzigen mir bekannten Eintagsfliegen, die in Mitteleuropa am Morgen schlüpfen, sind einige Caenis-Arten. Dies sind unsere kleinsten Eintagsfliegen. Ich habe schon mehrmals einen Massenschlupf der White Midge am Morgen mit spektakulärer Trockenfischerei erlebt.
Bild: W. Reisinger
Wirklich zarte Geschöpfe: Caenis Dun und Caenis Spinner.
Hydropsychen (Grey Flag, Brown Flag, Marbled Sedge, u. a.)
Bild: W. Reisinger
Beim Anblick einer Köcherfliege, hier eine Hydropsyche, schlägt das Herz des Fliegenfischers höher.
Sie sind nach meinen jahrelangen Beobachtungen für uns in Mitteleuropa die wichtigste Köcherfliegenfamilie. An Niederungsflüssen, die sich im Sommer stark erwärmen, finden sie ideale Lebensbedingungen vor und erreichen eine hohe Populationsdichte. Der Ausfluss der Traun- und Hallstätterseen bietet durch warmes Oberflächenwasser und reichlich Detritus ideale Bedingungen. Alle Arten dieser Familie schlüpfen an der Wasseroberfläche, wobei der Lichtwechsel den Schlupf auslöst. Sie sind die einzigen mir bekannten Köcherfliegen, die sowohl morgens als auch abends schlüpfen. Abendschlupfe sind intensiver, da durch Tageswärme mehr Puppen reifen.
Bild: W. Reisinger
Eine Hydropsyche ist geschlüpft. Wenn es ihr nicht gelingt, die Flügelspitzen durch hüpfendes Flattern zu trocknen, wird sie eine leichte Beute für die Fische.
Für den Fliegenfischer bedeutet das: Morgens werden die Sichtverhältnisse mit der aufgehenden Sonne besser, abends schlechter. Ich fische Köcherfliegenmuster abends meist mit Bewegung. Das beste Muster: Buck Caddis. Wichtig ist, dass sie gut schwimmen und Bewegung imitieren. Farbe spielt bei wenig Licht eine untergeordnete Rolle. Wer nach Sonnenuntergang fischt, sollte sich über die gesetzlichen Vorgaben informieren. Genießen Sie die Sommerabende – sie sind ein Geschenk für uns Fliegenfischer.