Chernobyl Ant: Die Schaumstoff-Ameise, die Friedfische verrückt macht

Rapfen, Döbel, Aland – Vlad Rusu und Silviu Stricat sind wirklich verrückt nach Fliegen-Friedfischen. Seit einigen Jahren fischen sie mit der Chernobyl Ant überraschend erfolgreich auf Friedfisch. Angepasste Präsentationen derselben Fliege sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.

Tchernobyl Ant auf Friedfisch

Bild: Vlad Rusu & Silviu Stricat

Eine Ähnlichkeit mit irgendeiner natürlichen Beute besitzen die durchgedrehten Ameisen nicht so recht. Trotzdem sind selbst zurückhaltende Friedfische ganz vernarrt auf die Schaumstoffteile.

Es war Anfang Juni. Das Wasser unserer Fließgewässer war niedrig und ich beschloss, am Oberlauf eines nahegelegenen Flusses zu fischen, der einen ausgezeichneten Bestand an Bachforellen, Äschen und Döbel hat. Als ich am frühen Morgen am Wasser ankam, wurde mir klar, dass die einzige Möglichkeit das Fischen mit der Trockenfliege sein würde. Der Wasserstand war, wie so oft im Spätsommer niedrig und der Fluss mit Wasserpflanzen übersät. Jede Fliege unter der Wasseroberfläche, wenn auch nur Zentimeter, hätte unmittelbar zu Hängern geführt. Ein paar obligatorische Eintagsfliegen waren anwesend und tanzten im Morgendunst des Flusses. Ich entschied mich für eine Fliege, die der Größe und Farbe derjenigen entsprach, die gerade durch die Luft schwirrten, und fing an zu fischen. Obwohl es reichlich Futter an der Oberfläche gab, stiegen die Fische nicht auf – vielleicht waren sie durch die Monate der Völlerei satt und faul geworden. Es waren gut drei Stunden vergangen, in denen ich mehrere Fliegen ausprobiert hatte, die für mich sonst meist produktiv waren, ohne einen Fisch zu fangen oder auch nur zur Fliege locken zu können.

Die letzte Fliege, für die ich mich entschied, war eine Chernobyl Ant mit einem orangefarbenen Körper und schwarzen Gummibeinen. Ich hatte das Ungetüm als Geschenk von einem Freund bekommen. Bis dahin weckte diese beängstigend große, bunte Fliege bei mir nicht genug Vertrauen, um mit ihr zu fischen. Sie schien mir zu künstlich, zu abgedreht. An diesem Tag jedoch hatte ich nichts zu verlieren. Was soll ich sagen – die riesige, total unrealistisch aussehende Schaumstofffliege wurde schon nach ein paar Würfen hart attackiert. Der erste Fisch war ein nicht besonders großer Döbel. Angesichts der großen Fliege ein wenig verwunderlich, zumal der Biss einen größeren Fisch vermuten ließ. Mehrere Döbel, ein paar Alande und zwei Forellen später, musste ich meine Meinung zur Ant überdenken. Von diesem Tag an, begann ich, dieser Fliege sehr viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken…

Die nukleare Ameise

Wie im Fall mancher großen Erfindungen, entstehen manche überdurchschnittliche Fliegenmuster auch in verzweifelten Situationen. Dies war auch bei der „Chernobyl-Ant“ der Fall. Die Ursprünge dieser Fliege reichen bis in die frühen neunziger Jahre zurück, als eine Gruppe von Fliegenfischerguides am Green River in Utah ein Fliegenmuster entwickelten, um in den schwachen Hoch- und Spätsommermonaten bessere Ergebnisse zu erzielen. Mark Forsland schuf eine große Schaumstoffameise, die er Black Mamba taufte. Im Sommer 1990 ergänzte Allan Woolley sie mit Gummibeinen, um ihr eine bessere Mobilität im Wasser zu ermöglichen. Es war ein echter Erfolg. Eines Tages fischte Handy Stu die von Woolley modifizierte Fliege, als ein anderer Guide, Mark Bennion, ihn fragte, welches Modell er benutzte. „Es sei eine riesige Ameise“, sagte Handy. Mark warf einen Blick darauf und sagte: „Es ist keine Ameise, es ist etwas Nukleares. Es gibt keine solche Ameise auf der Welt. Diese Fliege kommt direkt aus Tschernobyl.“ So erhielt die Fliege ihren Namen von der Explosion des Kernkraftwerks Tschernobyl 1986 in der Ukraine (frei übersetzt aus The Salt Lake Tribune – Chernobyl Ant fly pattern was born on Utah‘s Green River).

Die Fliege wurde in vielen Varianten gebunden, jedoch der segmentierte Schaumkörper und die Gummifüße haben sich nicht geändert. Will Dornans Variante ist wahrscheinlich die bekannteste von allen und hat mehrere Vorteile: Die Fliege ist mit einem doppelten Schaumstoffkörper und Polypropylenflügeln gebunden. Die Flügel machen die Fliege sichtbarer und erleichtern das Landen mit der richtigen Seite auf der Wasseroberfläche. Im Laufe der Jahre haben mein Fliegenfischerbuddy und ich verschiedene Schaumstoff-Insektenmuster gebunden und gefischt, aber keine hat sich als so einfach zu binden und so produktiv erwiesen wie die Chernobyl Ant. Natürliche Farben (grün, braun, ocker) haben sich als außerordentlich fängig gezeigt. Für schnelles Schneiden in Standardgrößen von Schaumstoff kann ein „Cutter Set“ sehr nützlich sein, aber auch ein Skalpell oder eine Schere lösen das Problem. Bestens geeignet für dieses Fliegenmuster sind langschenklige Streamerhaken. Sowohl ‚Barred Round Rubber Legs‘ als auch ‚Silly Legs‘ funktionieren perfekt. Bindefaden mittlerer Dicke kann in jeder Farbe verwendet werden, die der Farbe des Körpers entspricht.

Chernobyl Ant im Spätsommer Dead Drift

Bild: Vlad Rusu & Silviu Stricat

Die Chernobyl Ant: grell, klobig und alles andere als naturgetreu – doch genau das macht sie so unwiderstehlich für Döbel, Rapfen und Aland.

Überraschender Friedfischmagnet

Mit diesem Fliegenmuster haben wir viele Fischarten gefangen, von Forellen, Lachsen, verschiedenen Barscharten bis hin zu zahlreichen Cyprinidenarten. Als besonders produktiv erwies sich diese Fliege tatsächlich beim Fliegenfischen auf Aland und Döbel. Was die Chernobyl Ant nun wirklich nachahmt, ist schwer zu sagen, im Zweifelfall entscheidet wahrscheinlich der Fisch selbst, ob er Grashüpfer, Käfer, Grille, Steinfliege oder sonst was in dem Muster sieht. Auf jeden Fall ist die Wirkung der komischen, großen Oberflächenfliege auf diverse Friedfische außerordentlich gut.

Chernobyl Ant im Spätsommer Dead Drift

Bild: Vlad Rusu & Silviu Stricat

Rapfen im Spätsommer – die monströse Schaumstoffameise sorgt selbst bei skeptischen Friedfischen für wilde Attacken an der Oberfläche.

Döbel und Aland mögen langsam fließende Flussabschnitte, auf denen Insekten von den überwucherten Ufern ins Wasser fallen. Präzise Würfe unter der Ufervegetation mit deutlich aufklatschender Fliege locken auch größere Fische aus der tiefen Deckung. Der Biss erfolgt dann meist postwendend. Bleibt die spontane Attacke aus, kann die Chernobyl Ant auch gut in der Dead Drift entlang der Bewuchskante gefischt werden. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sie ihr ganzes Potenzial dann nicht ausschöpft, so lohnt es sich sehr, die Fliege und ihre Gummbeinchen ab und zu mit einem leichten Zupfen zu animieren. Dies kann manchmal ein wichtiger Trigger sein, um ein Biss zu produzieren. Große Döbel begutachten oft kurz die Fliege und nehmen sie wuchtig nach dem nächsten leichten Strip. In heißen Sommertagen halten sich Döbel auch gern in den Stromschnellen auf. Da das Wasser in diesem Bereich etwas sauerstoffreicher ist, lohnt es sich eindeutig auch das Weißwasser zu befischen. Die auffällige Oberflächenfliege ist auch hier das richtige Mittel. Schlitternd übers Weißwasser geführt, bringt sie schnelle und entschlossene Attacken. Dabei kann man nie sicher sein, welche Fischart es ist.

Alande hingegen jagen oft in kleinen Gruppen in der Nähe von Seerosen oder anderer Wasserpflanzen. Kleine Bereiche freien Wassers in dem Pflanzenteppich, der die ruhigen Bereiche des Flusses bedeckt, stellen Hotspots für diese Fische dar. Platscht eine große Schaumstoff-Ameise in diese Lücken, kommen die Fische über Meter herbeigeschossen, um den Brocken zu erwischen. Wir suchen daher zügig Wurf um Wurf Krautlücke um Krautlücke ab, lange aufzuhalten braucht man sich dabei nicht. Wenn beim zweiten Wurf und kein Biss in einer kleinen Lücke erfolgt, kann man getrost die nächste abfischen.

Ein Wurf quer zum gegenüberliegenden Ufer oder leicht stromab und anschließend die Schnur in Achterklängen oder ruckartigem Einstrippen einholen: das ist die richtige Technik beim Rapfenfischen. Mit dieser Technik wird die Ant zudem zur perfekten Suchfliege für große Wasserflächen. Ja, auch Rapfen reagieren richtig gut auf dieses Muster. Manchmal nehmen die Fische allerdings nur extrem schnell geführte Fliegen. In dieser Situation macht es Sinn, die Angelrute unter dem Arm einzuklemmen und die Schnur mit beiden Händen einzuholen. Bevorzugt werden Mündungen von Nebenflüssen, Wehre oder Nebenarme – eigentlich alle Plätze, an denen Rapfen besonders gut Jagd auf Brutfische machen können. Wir haben schon mit hellem Schaumstoff experimentiert. Gerade bei Sonnenschein ist der Kontrast einer weißen Schaumstoffliege zur Oberfläche nicht ganz so groß – die wirkt offensichtlich natürlicher und bringt oft mehr und bessere Bisse, als ein dunkles Modell. Insbesondere, wenn Sie hinter Ihrer dunklen Ant immer wieder Schwalls bemerken und offensichtliche Nachläufer erhalten, sollten Sie auf ein helles, von unten weniger offensichtliches Muster wechseln. Große, schwarze Muster erzielen hingegen in den letzten Minuten vor Sonnenuntergang oder kurz vor dem Sonnenaufgang gute Ergebnisse. Insbesondere, wenn die sonst verwendeten Fischchen-Streamer bei den Rapfen versagen, ist diese Fliege für Rapfen oft ein „Gamechanger“.

Chernobyl Ant im Spätsommer Dead Drift

Bild: Vlad Rusu & Silviu Stricat

Ihre Größe und Auffälligkeit macht das Muster zu einer guten Suchfliege für größere Wasserflächen, wenn nicht klar ist, wo sich die Fische letztlich aufhalten. Im Swing oder mit nur gelegentlicher Bewegung in der Dead Drift gefischt, erzwingt sie zuverlässig Feedback.

Gestrecktes Vorfach

Wir verwenden Schnüre von Klasse fünf bis sieben mit einem etwas aggressiveren Taper, also einer Keule mit kurzem Fronttaper. So verringert sich die Zahl der Leerwürfe. Da es nicht so sehr auf ein hauchzartes Aufsetzen der Fliege ankommt – sondern sogar eher das Gegenteil erwünscht ist, stört eine solche Schnur bei der Präsentation überhaupt nicht. Aufgrund der Größe und des Luftwiderstandes der Tschernobyl Ant ist es wichtig, ein etwas steiferes Vorfach zu benutzen. Damit können Sie die Fliege besser abrollen und das Vorfach sich gestreckt ablegen lassen – denn auf eines legen wir bei der Fischerei mit der Chernobyl Ant auf Friedfisch besonderen Wert: dass das Leader gestreckt ist, wenn die Fliege auf der Wasseroberfläche landet. Unmittelbar nach dem Aufsetzen erfolgen viele der Bisse, an manchen Tagen sogar fast alle! Wenn nun das Vorfach locker daliegt, wird ein erfolgreicher Anhieb zum Glücksspiel. Vorfächer mit einer Länge von 9-12 Fuß sind ausreichend. Als Tippet haben wir sowohl Fluorocarbon als auch monofile Schnüre mit ähnlichen Ergebnissen benutzt. In Anbetracht der großen Fische unserer Heimatgewässer, der Donau und ihrer Nebenflüsse, verwenden wir Spitzen mit einer Dicke von mindestens 0,18 Millimetern.

Wie vielseitig ihr Einsatzgebiet sein würde, konnten die Erfinder der Tschernobyl-Ameise vor über 30 Jahren sicherlich nicht absehen. Für uns gehört sie zur sommerlichen Friedfischangelei nicht nur mit dazu: oft genug machen wir reine Ant-Touren – und fangen nicht weniger Fisch, als würden wir mit einer ganzen Batterie von Nymphen und Trockenfliegen losziehen. Extrem viel Spaß macht die Fischerei mit dem Schaumstoff-Ungeheuer auf jeden Fall – probieren Sie es doch einmal aus!

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