Sie war schon unterwegs, als Europa im 17. Jahrhundert Kriege führte und noch niemand an Elektrizität oder Flugzeuge dachte: eine Grönlandhai-Dame, deren Alter heute auf rund 400 Jahre geschätzt wird. Vier Jahrhunderte, in denen Reiche zerfielen, Technik die Welt veränderte – und sie dennoch unaufhaltsam durch das dunkle Wasser zog.
Diese stillen Riesen der Tiefsee sind die Methusalems der Tierwelt. Mit einer Länge von über fünf Metern und einem Lebenstempo in Zeitlupe werden Grönlandhaie älter als jedes andere Wirbeltier. Während Menschen schon nach wenigen Jahrzehnten erste Altersspuren im Gehirn zeigen, bleiben sie selbst nach 200 Jahren unverändert.
Doch wie schaffen sie das? Ein Forschungsteam hat nun erstmals den kompletten genetischen Code der Grönlandhaie entschlüsselt – ein Erbgut, das doppelt so groß ist wie das des Menschen. Darin fanden sie etwas Besonderes: Ungewöhnlich viele Kopien von Genen, die DNA-Schäden reparieren. Eine Art molekulares Schutzschild gegen die Zeit.
Besonders im Blick: das Protein p53, der „Wächter des Genoms“. Beim Menschen schützt es vor Krebs – ist es defekt, wird es gefährlich. Beim Grönlandhai hingegen könnte eine besondere Variante dafür sorgen, dass seine DNA über Jahrhunderte stabil bleibt.
„Die verbesserte DNA-Reparatur könnte der Schlüssel zu seiner enormen Lebensdauer sein“, sagt Studienleiter Arne Sahm vom Leibniz-Institut für Alternsforschung. Ein Mechanismus, den auch andere langlebige Tiere wie Elefanten oder Schildkröten besitzen – und der uns vielleicht eines Tages hilft, das Geheimnis der Langlebigkeit auch für den Menschen zu entschlüsseln.
Bis dahin ziehen die uralten Haie weiter durch die Tiefen – unaufhaltsam, still, beständig. Wächter einer anderen Zeit.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI), bioRxiv (2024)
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