In der Tiefsee, wo Begegnungen eher selten sind, hat der Anglerfisch eine extreme Fortpflanzungsstrategie entwickelt: den sexuellen Parasitismus. Trifft ein Männchen auf ein deutlich größeres Weibchen, heftet es sich an dessen Körper, verwächst mit dem Gewebe und verschmilzt sogar mit dem Kreislaufsystem. Über den gemeinsamen Blutkreislauf erhält das Männchen Nährstoffe – und liefert bei Bedarf Spermien. Manche Weibchen tragen sogar mehrere Männchen gleichzeitig, um den Fortpflanzungserfolg zu sichern.
Wie Anglerfische das Immunsystem austricksen
Diese dauerhafte Verbindung ist einzigartig im Tierreich. Während siamesische Zwillinge genetisch identisch sind, besitzen Männchen und Weibchen des Tiefsee-Anglerfischs unterschiedliche Genome. Normalerweise würde das Immunsystem fremdes Gewebe abstoßen – wie bei einer nicht passenden Organtransplantation. Doch Anglerfische umgehen dieses Problem: Forschende am Max-Planck-Institut entdeckten, dass einige Arten bestimmte Gene des Immunsystems verloren haben, darunter jene für die MHC-Moleküle (Haupthistokompatibilitäts-Antigene).
Diese Moleküle sind bei fast allen Wirbeltieren entscheidend, um Krankheitserreger und fremde Zellen zu erkennen. In der Transplantationsmedizin versucht man deshalb, Spender und Empfänger mit möglichst ähnlichen MHC-Varianten zusammenzubringen, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Tiefsee-Anglerfische verzichten jedoch vollständig auf diesen Mechanismus und setzen ausschließlich auf ihre angeborene Immunabwehr.
Diese genetische Besonderheit macht ihre ungewöhnliche Paarbindung möglich. Das Phänomen des sexuellen Parasitismus wurde übrigens 1920 von einem isländischen Fischereibiologen entdeckt.
Hier geht es zur Dokumentation (2018) der Paarung eines Tiefseeanglerfischpaares aus der Familie der Caulophrynidae jordani.
Quellen: MPI-IE, Freiburg Pietsch, T.W., Copeia, 2005 Swann, J.B. et al., Science, 2020 Britannica, Anglerfish, 2023
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