Wenn Jens Marek mit Betreibern polnischer Madenfarmen vor Ort verhandelt, legt er die Termine „möglichst in die Wintermonate“. Die Produktion der Lebendköder ist einfach nichts für empfindliche Nasen und „im Sommer schwer zu ertragen“. Gut nachvollziehbar. Denn die Hersteller arbeiten in ihrer Madenzucht mit Schlachtabfällen im Verwesungsprozess. Marek ist Logistikmanager bei Fishing Tackle Max (FTM), er kennt den Markt, ist seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen.
In dieser Zeit, sagt der Feederexperte, habe es einen einzigen Anbieter in Deutschland gegeben, nach einer Klage sei der Betrieb geschlossen worden. Das (offenbar zu) naheliegende Problem: der Geruch. Vereinfacht dargestellt ähnele die Madenproduktion dem natürlichen Vorgang, der einsetze, wenn man in der heißen Jahreszeit Abfall in eine Mülltonne schmeiße: „Fliegen kommen, knabbern daran rum, legen Eier. Daraus entstehen die Maden, die wieder den Abfall fressen.“
Bild: Eric Isselée
Madenproduzent Nummer 1: Die Stubenfliege. Sie wird gezielt in die Farmen gelockt.
55 kg Fleisch für 300 Liter Maden
Die Madenfarmen haben den Ablauf professionalisiert. Erster Produktionsschritt: In Fliegenhäusern werden die Insekten zunächst mit Zuckerwasser gefüttert. Die Temperatur liegt bei 30 bis 35 Grad. Dann wird den Fliegen eine Schale mit 5 kg gekuttertem Fleisch präsentiert, sie fressen etwa drei Tage und legen ihre Eier ab. Zweiter Schritt: Die Schale wird in ein ausgemauertes Becken gebracht. Weitere 50 kg Fleisch werden hinzugefügt und mit Federn oder Fell abgedeckt. Innerhalb von sieben bis zehn Tagen entwickeln die Larven die richtige Größe. Wie viele Fleischmaden werden so produziert? „Circa 300 Liter“, sagt Marek.
Bild: Nikolay N. Antonov
Maden sind einer der beliebtesten Naturköder; FTM ordert zwischen 150.000 und 200.000 Liter pro Jahr bei den Produzenten in Polen.
90 Prozent der Lebendköder aus einer Madenzucht im Osten
Dritter Schritt: der Reinigungsprozess. Die Maden werden gesiebt und von den Abfällen, den Fleischresten und Federn getrennt. Anschließend werden sie für zwei Tage in trockenen Spänen gelagert. Wenn die Köder angeliefert werden, wechseln die FTM-Mitarbeiter am Unternehmenssitz in Oschersleben noch einmal die Späne und verpacken sie in die kleineren Einheiten für die Angelgeschäfte. Madenfarmen gibt es in Italien, England und Polen, über die Marktanteile sind keine gesicherten Zahlen vorhanden.
Bild: liam
Im dritten Schritt des Madenzuchtprozesses werden die Maden gesiebt und gereinigt.
Beobachter schätzen, dass die Maden, die in Deutschland verkauft werden, zu 90 Prozent aus dem Osten kommen. Wenn in Deutschland Schlachtabfälle entsorgt werden, seien die Auflagen wesentlich umfangreicher als in Polen, weiß Maximilian Wendler, Geschäftsführer der proinsects GmbH in Minden. Allerdings seien auch die Vorschriften auf der polnischen Seite strenger geworden, mittlerweile werde beispielsweise die Entsorgung der Abfälle geregelt, die wiederum bei der Madenproduktion entstünden.
Bild: W. Krause
Kunstmaden (hier rot) werden sogar noch weiter östlich produziert. Die kommen aber nicht aus Farmen, sondern aus Spritzdüsen…
Fleischwiederverwertung: Die Madenzucht ist nachhaltig
Das Fleisch, sagt Wendler, werde frisch angeliefert und verarbeitet. Das wirke sich einerseits auf die Qualität aus, also auf die Konsistenz und den Geruch der Maden. Und andererseits? „Auf die Kosten. Die Preise sind gestiegen“, antwortet der proinsects-Chef. In welchem Umfang Maden produziert werden, zeigt der Blick in die Geschäftsbücher. Allein Fishing Tackle Max ordere jährlich zwischen 120.000 und 150.000 Liter, berichtet Jens Marek. Umkehrschluss: Dafür ist eine Menge Fleisch nötig.
Bild: Krzysztof Bubel
90 Prozent aller Angelmaden kommen aus dem Osten.
Welche Tiere werden eigentlich verarbeitet? „Das ist bei jeder Farm anders, einige setzen eher auf Fisch, andere auf Geflügel. Es kommt darauf an, was in der jeweiligen Region zu haben ist.“ Beliebt seien auch Tiere von Pelzproduzenten, die lediglich die Felle verwerten würden, das Fleisch und die Knochen aber als Abfall entsorgen müssten: „Das kaufen die Madenfarmen relativ günstig ein, für kleines Geld. Es wird alles verwertet, was normalerweise weggeworfen oder verbrannt wird.“ Madenfarming ist, so skurril es klingen mag, relativ nachhaltig. Hätten Sie das geglaubt?
Bild: Heiner Siefken
Maden brauchen Wärme, um sich zu Castern zu verpuppen, und dann wieder Fliegen zu werden. Deshalb kommen sie auch in den Köderkühlschrank.
Das Geruchsproblem der Madenzucht
Marek wird weiter die Madenproduzenten in Polen besuchen, die Qualitätskontrolle sei unheimlich wichtig: „Bis hochwertige Maden in den Angelgeschäften und beim Endverbraucher angekommen sind, ist eine Vielzahl logistischer Schritte nötig.“ Die meisten Madenfarmen seien im nördlichen Teil des Landes zu finden, im Umkreis von 150 km um Stettin herum.
Seine Fahrten führen den FTM-Mitarbeiter in einsame Gegenden. „Es geht über Landstraßen, Kopfsteinpflaster und Feldwege.“ Die Madenfarmen sind versteckt, die Standorte haben viel Abstand zu Nachbarn, die sich an der Geruchsentwicklung stören könnten. Eindeutig kein Job für Menschen mit empfindlichen Nasen.
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