Viele unserer einheimischen Fischarten sind von den steigenden (Wasser-)Temperaturen nicht gerade begeistert – sie ziehen sich in den Sommermonaten in kühlere, tiefere Wasserschichten zurück. Wer vom Klimawandel wohl eher profitiert und sich auch im wärmeren Oberflächenwasser wohlfühlt, ist unter anderem der Wels. Er sucht sich tagsüber zum Ausruhen zwar lieber ein schattigeres Plätzchen ohne direkte Sonneneinstrahlung, aber er döst oft auch gar nicht weit unter der Oberfläche.
Er nutzt zum Beispiel das Geäst eines ins Wasser gestürzten Baumes – im wahrsten Sinne des Wortes – zum gemütlichen „Abhängen“ oder zieht sich in dunklere, unterspülte Uferbereiche zurück. Und er schätzt das wärmere Wasser für die Fortpflanzung, die Welspopulation in den Gewässern steigt an. Zwei Gewässer mit jeweils vier Welsen allein in den genehmigten Tauchbereichen sind mir bekannt – ohne die Dunkelziffer im restlichen See. Bei einer Wassertemperatur von 24 Grad steigt für uns Taucher mittlerweile die Chance, im Sommer sogar einen Wels über seinem Laich zu entdecken – ich hatte letztmals im Sommer 2023 das Glück.
Tauchen zum Wels, einem mutigen Bewacher
In einem See bei Speyer hatte vor Jahren ein Wels schon einen versunkenen Angelkahn als Laichplatz für sich auserkoren. Innen so sauber geputzt habe ich den Kahn ansonsten nie erlebt. So gut wie keine Bodensedimente oder Pflanzenreste waren darin zu sehen, einzig der Wels hielt sich einige Tage darin auf und bewachte mutig und fürsorglich seinen Laich. Und bewachen muss ein Waller seinen Laich definitiv. Sobald er den Laichplatz auch nur für einen kurzen Rundgang verlässt – etwa um die Muskeln aufzulockern, stürzen sich ein Dutzend in der Nähe lauernde Fluss- oder Sonnenbarsche darauf und feiern eine Fressorgie, bis er zurück ist.
Bild: Peter Rieger
Dieser Wels bewacht seinen Laich in einem Gewässer bei Speyer. Die Sonnenbarsche warten nur darauf, dass sich der Gigant kurz vom Platz bewegt.
Deshalb sollte man als Taucher schon darauf achten, dem Wels möglichst nicht zu nahezukommen und ihn von seinem Gelege zu verscheuchen. Unverhofft ganz nah hatte meine Tauchpartnerin Veronique einmal eine etwas außergewöhnliche Welsbegegnung. Sie suchte unter einem versunkenen Baum am Grund nach einem weißen Koi und kleinen Wels, die sich ab und zu dort aufhielten. Als sie diese nicht sah, machte sie, ohne ihre Flossen zu benutzen, den Rückzieher. Um aber keine Sedimente aufzuwirbeln, benutzte sie ohne Blickkontakt die Äste über ihrem Kopf als Hilfsmittel.
Plötzlich war da ein komischer Ast dabei – ganz weich und gallertartig fühlte dieser sich mit den nackten Händen an. Igitt. Eklig. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück und schaute nach. Sie hatte einen mittleren Wels beim Schwanz gepackt. Dieser blieb sogar weiter dort liegen und ließ sich beobachten. Und der kleinere Artgenosse kam dann auch noch kurz vorbei.
Beängstigende Begegnung beim Tauchen zum Wels
Im Waidsee bei Weinheim gibt es schon seit Jahrzehnten bis über 2 m große Welse. Die Riesen liegen dort sogar dösend frei auf Seegras am Grund, während sie 4 bis 5 m über sich die ahnungslosen Badegäste beobachten können. Ich glaube, so mancher Schwimmer hätte durchaus ein mulmiges Gefühl, wüsste er von den Riesen da unten.
Das Bratpfannen-Maul des Waidsee-Wallers
Überrascht wurde dort auch einmal einer meiner Tauchpartner. Wir entdeckten beim Tauchen ein paar Meter voraus einen über 1,5 m großen Wels, als wir uns gerade – Markus voran – entspannt über die Seegraswiesen bewegten. Der Fisch lag mit der Schwanzspitze zu uns hin. Als wir uns ihm bis auf ungefähr 3 m genähert hatten, schwamm er langsam los. Er floh aber nicht – nein, er machte nach ein paar Metern eine Kehrtwende, stieg etwas auf und steuerte auf Kopfhöhe direkt auf Markus zu. Ein knapper Meter vor dessen Gesicht stoppte der Wels, riss plötzlich sein riesiges Maul weit auf und Markus starrte für etwa zwei Sekunden in ein riesiges schwarzes Loch. Ich konnte richtig sehen, wie er vor Schreck mit dem ganzen Körper zusammenzuckte.
Bild: Peter Rieger
Alles andere als scheu und zurückhaltend präsentierte sich dieser Wels, als er sich ungeniert der Kamera näherte.
Danach schloss der Waller sein Maul, drehte ab und verschwand. Puh, ganz perplex drehte sich Markus mit großen Augen zu mir um. Seine Atemfrequenz war sichtbar gestiegen, viel mehr Luftblasen stiegen gen Oberfläche auf. Das war abartig, so etwas hatten wir noch nicht erlebt, geschweige denn erwartet. Markus’ Kommentar nach dem Tauchgang: „Wie der Blick in eine große schwarze Bratpfanne“. Das war ein wirklich eindrucksvolles Imponiergehabe von dem Fisch! Mein Respekt. Welse sind wahrhaft mutig.
Vom Wels getunnelt
Das konnte ich auch mit Uwe in einem See bei Ludwigshafen erleben. Nach seiner nächtlichen Pirsch hatte sich ein 2 m langer Riese im dichten Pflanzendschungel zur Ruhe gelegt. Lange hatte er Geduld mit uns, ließ sich beobachten. Erst als ich ihn – mich mühsam durch das Kraut arbeitend – fast erreicht hatte, schwamm er gezielt los. Obwohl Freiraum zur Verfügung stand, floh auch er nicht, sondern schwamm knapp über dem Boden direkt auf Uwe zu. Um eine Kollision unter der Gürtellinie zu vermeiden, spreizte Uwe geistesgegenwärtig die Beine und der Waller schwamm dazwischen hindurch. Wahnsinn! Der Fisch hatte keine Angst vor uns – er war eher von uns genervt, gab uns so zu verstehen: „Macht euch vom Acker, ihr seid hier fehl am Platze. Ihr nervt“.
Bild: Peter Rieger
Dichter geht es kaum: Solche Begegnungen mit großen Welsen sorgen für heftige Adrenalinschübe.
Die meisten Begegnungen verlaufen aber entspannt. Manchmal kreuzen sich unsere Wege nur und der Wels ignoriert die Taucher einfach. Es gibt aber auch neugierige Exemplare jeden Alters, die mehrmals zu uns zurückkommen, um die blubbernden Eindringlinge in ihrem Reich einzuschätzen. Ich begegne Tieren, die sich vier- bis fünfmal gezielt nähern, währenddessen sie Kreise, eine Acht oder durch dichten Pflanzenbewuchs schwimmen. Das ist reine Neugier. Toll, das erfreut das Taucherherz – und ganz speziell das der Fotografen und Filmer.
Mit dem Albino-Wels Emma tauchen
Solche Wels-Erlebnisse können eigentlich nur noch durch zwei Momente übertroffen werden. Zum einen sind es Begegnungen mit einem weißen Wels und zum zweiten, mehrere Welse gleichzeitig anzutreffen. Letzteres wurde mir nach über 45 Jahren Taucherleben endlich im Sommer 2023 gegönnt. Im Bereich eines großen versunkenen Baumes lagen drei Welse – leider aber nicht beisammen. Ein Gruppenfoto war also nicht möglich. Einen etwa 2 m großen weißen Wels aber kenne ich schon ein paar Jahre. „Emma“ wurde er von den Anglern vor Ort getauft.
Bild: Peter Rieger
Der weiße Wels „Emma“ konnte sich aufgrund seiner auffälligen Erscheinung nur kurz vor den Tauchern verstecken.
Und was ich ganz super finde: Der Angelverein des Gewässers möchte nicht, dass er entnommen wird. So wurde es im Verein abgesprochen. Auch für Badegäste oder aufmerksame Sonnenanbeter besteht also weiterhin die Möglichkeit, ihn mit sehr viel Glück von der höheren Uferböschung aus im flacheren Wasser ruhen zu sehen. Wir wurden von ihnen auf dem Weg zum Tauchereinstieg diesbezüglich schon angesprochen.
Im Sommer 2023 wurden wir per Mail von den Anglern informiert, dass es wohl einen zweiten weißen Wels im See gibt – „Paul“. Er ist natürlich noch viel kleiner (etwas über 1 m) und er hat einmal an der Angel angebissen – wurde aber wieder zurückgesetzt. Vielleicht Mutter und Sohn? Jetzt gilt es, auch ihn für Fotos zu finden – idealerweise bei einem Familientreffen, denn dabei könnte ich „zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen“. Das wird nicht einfach. Wegen des oft trüberen Wassers dort sehen wir selbst Emma sehr selten. In sechs Jahren habe ich den Albino-Wels beim Tauchen laut meinem Logbuch ganze achtmal aufgespürt.
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