Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, warum die meisten Karpfen an Spots in großer Distanz rollen? Warum sich in den Schongebieten die meisten Karpfen versammeln? Der Grund dafür ist einfach: Karpfen wollen Ruhe und meiden Angeldruck. In den meisten Gewässern werden immer dieselben Stellen beangelt. Gründe dafür sind eine gute Erreichbarkeit mit dem Pkw oder die Tatsache, dass an bestimmten Spots einmal gut gefangen wurde. Angler sind bequem oder sie orientieren sich an den Fängen, die einst an den betreffenden ausgetretenen Stellen gemacht wurden. Angelstellen brennen aber von Zeit zu Zeit regelrecht aus. Durch die Zunahme von Angeldruck fressen die Karpfen in jenen Bereichen nur sehr vorsichtig oder sie besuchen die Spots nur noch sporadisch bis gar nicht mehr. Schnüre, Lärm, Licht, Marker und einschlagende Bleie setzen die Fische in Alarmbereitschaft. Sie nehmen Abstand.
Bild: T. Steinbrück
Ein leichter Schirm statt dem Zweimannzelt: Wer kilometerweit laufen will, muss sich maximal reduzieren.
Spinnangler machen es uns vor!
Aus diesen Gründen suche ich mir Gewässer, die nur sehr schwer erreichbar sind und weniger im Fokus der breiten Masse liegen, oder ich suche mir gezielt jene Spots für Karpfen an einem Gewässer aus, die nur durch sehr lange und beschwerliche Fußmärsche erreichbar sind. Spinnangler umrunden Gewässer, Karpfenangler in der Regel nicht. Abseits der ausgetretenen Pfade verhalten sich die Karpfen anders. Sie fressen ohne Argwohn, kommen dichter ans Ufer und nehmen Futterplätze sorgloser an. Schweiß und Mühe werden belohnt – nicht nur mit der Ruhe und Abgeschiedenheit an den weit und schwer erreichbaren Plätzen.
Einen Futterplatz aufzubauen kostet Geld und Mühe. Ganz klar: Ich würde mir nie die Mühe machen und einen Platz anfüttern, auf dem sich andere Angler niederlassen würden. Ich suche mir aus diesen Gründen für eine Futterkampagne eine Stelle, die im Verborgenen liegt, wo man am besten nur mit einem Schirm Platz nehmen kann und die im Idealfall nicht gut einzusehen ist. Je weiter weg vom Trubel, desto besser.
Entfernte Karpfen-Spots: Weniger Luxus, mehr Fisch
Auf derartige Angelplätze muss man sich entsprechend vorbereiten. Es sind im Unterholz nicht nur mehr Zecken unterwegs – das erfordert entsprechende Kleidung. Auf Luxus und Komfort verzichten, nur das Nötigste dabeihaben, lautet die Devise. Die Angelzeit kann dafür auf ein Minimum reduziert werden, weil ein gut vorbereiteter Futterplatz in Ufernähe keine Wartezeiten von mehreren Tagen in Anspruch nimmt, um erfolgreich zu sein. Ich komme für eine Daysession (ohne Trolley) oder einen Overnighter – mit einem Trolley oder nur zu Fuß – aus. Mein Tackle reduziere ich auf ein Rutenfutteral (Ruten, Kescher, Bissanzeiger, Banksticks, eine kleine Tacklebox, Köder, Proviant und Liege bzw. Stuhl und Abhakmatte). Das meiste findet dabei im Rucksack Platz. Derartige Leichtigkeit macht das Karpfenangeln wieder zu dem, was es einmal war.
Bild: T. Steinbrück
Zwei einfache Banksticks mit Bissanzeiger sind universell einsetzbar. Ein Rodpod ist viel zu schwer, Buzzer Bars zwingen den Angler dazu, beide Ruten an einen Spot zu stellen – manchmal ist das aber nicht möglich.
Ruhe bewahren
An den schwer zugänglichen Karpfen-Spots herrscht immer Ruhe. Diese Ruhe sind die Fische dort auch gewöhnt. Wer sich dort zu auffällig verhält, macht sich den Vorteil zum Nachteil. Eine Kopflampe mit schwachen Batterien ist dann besser als der LED-Lenser-Lichtfluter. Kein Futterboot, kein Deeper-Echolot, keine Futterrakete und keine Zeltheringe in den Boden hämmern – all das sind Gründe, warum sich die Karpfen an anderen Stellen zurückgezogen haben. Ich stelle die Bissanzeiger auf stumm, nur meine Funkbox alarmiert mich durch Vibration. Am Ufer laufe ich nicht umher, sondern nehme mit einem Abstand von mindestens 20 m Platz. Es reicht in den meisten Fällen, eine oder maximal zwei 6- bis 10-ft-Ruten dabeizuhaben. Ein sachter Pendelwurf genügt. Weil die Karpfen sich in den schwer erreichbaren Spots sicher fühlen, nutzen sie die flachen Uferbereiche, um nach Nahrung zu suchen. Aus sicherer Distanz kann man oft die Ankunft der Karpfen durch Fressblasen erkennen. Bachflohkrebse, Wasserschnecken und Krebse finden sie direkt vor dem Schilf zuhauf. Es genügt im Normalfall, mit einem Handwurf oder einem Katapult ein paar Boilies anzufüttern. Ich nutze in diesen sensiblen Bereichen nach Möglichkeit kleine Boilies in 10–15 mm, da diese der Naturnahrung, die die Fische dort fressen, am nächsten kommen. In schwer erreichbaren Gewässern haben die Karpfen auch entsprechend wenig Kontakt zu Boilies. Kleine Miniboilies oder Partikel werden schneller akzeptiert und als Futter sofort angenommen.
Bild: T. Steinbrück
Der Autor fischt in den meisten Fällen mit sehr kurzen, weichen Vorfächern – einfach, weil es (fast) niemand sonst tut!
In den letzten Jahren verbrachte ich auf diese Art des Karpfenangelns immer mehr Zeit. Es war die beste, intensivste und oft auch erfolgreichste Art des Karpfenangelns für mich. Wenn Sie sich nach Abenteuern sehnen und keine Lust haben, sich auf den einschlägigen Plätzen die Zeit abzusitzen, dann versuchen Sie es doch auf die mobile und unbequeme Art. An den meisten Gewässern gibt es unausgetretene Pfade. Schenken Sie denen mehr Aufmerksamkeit und gehen Sie den unbequemen Weg ins Abenteuer. Es lohnt sich. Verlassen Sie den Platz so natürlich, wie Sie ihn vorgefunden haben. Kleiner Extratipp, wenn auch teuer: Durch die Anschaffung eines Elektro-Trolleys ist mir auch für einen Overnighter kein Weg zu weit.
Bild: T. Steinbrück
Solche besonderen, urigen Karpfen sind der Lohn für alle Mühen.
Was erleichtert mobiles Angeln?
Den Schritt zum „Abspecken“ zu wagen, um weit entfernte Karpfen-Spots zu erreichen, ist gar nicht so leicht, wenn man sich an Tackle-Luxus gewöhnt. Doch mit jedem Kilo, dass vom Trolley purzelt, wächst die Distanz, die man zurücklegen kann. Folgende Dinge sind essentiell (für eine Nacht), der Rest kann zu Hause bleiben:
• leichtes Schirmzelt
• zwei Banksticks mit Bissanzeigern und Bobbins
• Kescher, Abhakmatte, Waage und Maßband
• leichter Bedchair (darauf kann man auch sitzen, das spart den Stuhl)
• Carryall mit kleiner Tacklebox, Kocher, Topf und Besteck
• Brote (zu Hause geschmiert) oder Dosensuppe, etwas Kaffee
• 2-3 l Wasser
• 1-2 kg Futter