Yag 1:
Es wird hoechste Zeit mal wieder zu berichten damit ich nicht zu weit zurueckfalle. Das Gedaechtnis soll ja mit zunehmendem Alter auch nicht besser werden. Fangen wir bei letzter Woche an. Normalerweise wuerden wir um diese Jahreszeit unsere Maenner-Angeltour mit mehreren Booten und einigen Freunden zu einem abgelegenen Kuestenabschnitt machen. Aber dieses Jahr ist eben alles anders und so planten Dave und ich nur eine Dreiertour mit ihm, meinem Aeltesten und mir. Wir hatten noch warme Erinnerungen an unsere frueheren Touren nach Malcolm Island, auf der uns mein Sohn Ricardo als kleiner Junge mindestens zweimal begleitet hatte. 7 Jahre war die letzte Tour dorthin schon her; damals noch mit meinem vorherigen Boot Red Hot. Der damals kleine Ricardo jetzt stolze 18 und 1.94m gross. Da Malcolm Island nicht wirklich touristisch erschlossen ist und keine Grossraumunterkuenfte fuer eine grosse Reisegruppe bietet, und auch keine verlaessliche Infrastruktur fuer eine Vielzahl von Touri-Booten besass, hatten wir dieses Ziel nie fuer unsere grosse Truppe ins Auge gefasst. Aber dieses Jahr, nur zu dritt und mit nur einem Boot, das sollte sich doch machen lassen!
Dave, unser Meister-Organisator, hatte das auch voll im Griff und fand uns eine geeignete Unterkunft in Mitchell Bay, die fuer Angler tauglich war. Das Problem war ein Bootsliegeplatz in Mitchell Bay, wo es nur eine Government Wharf gab, an der man keinen Liegeplatz reservieren kann. Kommt man spaet vom Angeln zurueck und die Einheimischen, Pendler und Durchreisenden haben jeden Platz belegt, steht man dann dumm da. Aber unserer Vermieter bot uns seinen quasi-garantierten Einheimischen Liegeplatz an der Wharf an indem er sein Boot mit dem eines Freundes zusammenraftete. Ausserdem hatte er einen Schlachttisch im Garten ohne den man sonst auf dem Dock auf Knien seine Fische filetierte. Und schliesslich war unsere Unterkunft in Laufdistanz zur Wharf. Besser geht’s auf dieser ziemlich eigenbroetlerischen Insel, ehemals von finnischen Einwanderern besiedelt, nicht. Die Vermieter waren sehr freundlich und halfen uns mit allem was wir brauchten. Wir konnten ihren grossen Gefrierschrank wie auch ihre Vakuumsealer benutzen. Und Angeltips gab’s obendrauf. Prima!
Wir unterteilten die etwa 6 stuendige Fahrt in 2 Etappen. Nach 3 Stunden bis Courtenay uebernachteten wir in einem schicken AirBnB und kamen dann am naechsten Mittag entspannt in Alder Bay an, wo Ricardo und ich mit MaxWaldi nach Malcolm Island uebersetzten, waehrend Dave das Auto auf die Autofaehre in Port McNeill nahm. Um 14:30 Uhr wollten wir uns am Dock in Mitchell Bay treffen. Natuerlich, wie auch auf frueheren Touren hierher, stoppten Ricardo und ich an einigen schoenen Pilkstellen und wir waermten schon mal die Ruten auf. Es ging uns nichts Grosses an den Haken aber etliche Felsenbarsche, Baby-Lings und Greenlinge liessen schon mal unser Angelfieber steigen. Was wuerden die naechten Tage wohl bringen?
Malcolm Island ist eine faszinierende Gegend und ein vielseitiges Angelrevier. Die Insel ist wohl so 50 km lang und ein paar km breit. Sie liegt in der Queen Charlotte Strait zwischen Vancouver Island und dem Festland BC, ziemlich im Norden von Vancouver Island. Ortschaften gibt es nur auf Vancouver Island auf diesem Breitengrad, aber auch Port McNeill und Port Hardy sind wirklich kleine Nester. Ansonsten pure Wildnis herum. Malcolm liegt praktisch als noerdliche Schutzinsel vor einer atemberaubenden Inselwelt zwischen Vancouver Island und Festland: das Broughton Archipel. Wer dort ohne GPS reinfaehrt, findet kaum wieder raus; tausende Inseln und Inselchen die sich alle sehr aehneln, und dahinter auf dem Festland tiefe Fjorde in das alpine Kuestengebirge. Dort herrschen Grizzlies und Pumas und Hirsche, die auch gerne mal von Insel zu Insel bis nach Vancouver Island wandern.
Als Angelrevier bietet Malcolm Island so ziemlich alles was in BC im Salzwasser Rang und Namen hat. Alle 5 Lachsarten ziehen hier in grossen Zahlen vorbei weil so weit im Norden noch viele suedliche Lachsstaemme zusammen ziehen bevor sie sich trennen und ihren einzelnen Zielgebieten zustreben. Die meisten Lachstaemme vor Malcolm ziehen zum Fraser River, allen Pudget Sound Fluessen, alle Ost-Vancouver Island Fluessen und den Kuestengebirgsfluessen zwischen Rivers Inlet und Vancouver. Einige der zugehoerigen Chinookstaemme produzieren immer wieder noch mal Exemplare bis 50 oder gar 60 Pfund. Auch wenn die ueber 30 pfuendigen (Tyee) zahlenmaessig in den letzten 20 Jahren sehr wenig geworden sind, Malcolm Island Angler fangen jedes Jahr noch einige. Auf der Insel ist auch die Sund’s Lodge angesiedelt, ueber die ich 2010 das erste Mal hierher gekommen bin (siehe meine fruehen Berichte). Seitdem bin ich ein Fan dieser Insel. Auf der noerdlichen Seite liegt einer meiner “Happy Places”, das Black Bluff. Diese vertraeumte Stelle mit einem weit vorgelagertem Kelpguertel und einer nahen Scharkante riecht foermlich nach Grosslachs und wir hatten schon Sternstunden dort erlebt. Wenn mal im Privaten oder Beruflichen wieder alles drunter und drueber geht, wuensche ich mich dorthin an einem windstillen Morgen und schwupps, alle Sorgen sind vergessen.
Heibutte gehen immer gut um Malcolm. Im Prinzip kann man kleinere Butte immer im Flacheren ueber sandig-kiesigem Grund mit den Lachsruten abschleppen. Dabei muss man nur den Lachskoeder ueber Grund schleifen. Klappt frueher oder spaeter bestimmt. Auch ein paar Kiesplateaus paar Kilometer vor der Insel sind bekannt fuer jede Menge Butte bis zu 25 Pfund. Fuer die groesseren Butte hat das Meer um Malcolm einige tolle Baenke und Riffe. Vor paar Jahren hat dort ein Bekannter und Guide auf der Sund’s Lodge einen Butt von geschaetzten 330 Pfund gefangen. Ling Cod gibt es auch haeufig an den steilen Kanten und unzaehlige Riffs vor dem Archipel. Allerdings sind wohl die besten Stellen im Archipel fast alle in dem grosszuegigen Schongebiet in dem Angeln verboten ist. Aber um Malcolm selber und die unmittelbar umliegenden Inseln bieten jeden Menge klasse Pilkstellen und in der Vergangenheit hatten wir nie Probleme ein paar Lings um die 15 Pfund zu fangen und vereinzelt sogar bis fast 30 Pfund. Die Felsenbarsche waren hier etwas weniger haeufig und gross als wir es von Port Hardy oder der Westkueste Vancouver Islands gewoehnt waren. Vielleicht hatten wir aber auch nie die besten Stellen gefunden. Interessanterweise war Malcolm Island eine der wenigen Stellen in Sued-BC wo man haeufiger auch mal ein paar pazifische Dorsche fing.
Bei so einer Fischvielfalt waren unsere Erwartungen natuerlich auch hoch. Dave hatte ueberhaupt noch nicht in diesem Jahr im Meer geangelt und wollte auch ordentlich Fisch mitnehmen. Ich versprach ihm eine gute Menge meiner und Ricardo’s Quote da wir schon eine Menge Fisch in der Truhe zu Hause hatten. Fuer mich galt wie immer das ewige Ziel: endlich mal wieder einen Tyee fangen. Ricardo hatte auf unserem frueheren Nootkatrip keinen ordentlichen Chinook gefangen und wollte endlich mal wieder einen Ripper drillen, der so richtig Schnur abreisst. Wenn nur der Wind mitspielte! Im August herrscht um Malcolm oft dichter Nebel was auch nervig sein kann wenn er richtig dick ist, aber Wind von der offenen Strait im Norden wuerde uns von unseren Lieblingsstellen abschneiden. Die Windvorhersage sah solala aus. Sonntag (Anreisetage) sollte es noch windstill sein, Montag morgen ok aber ab Nachmittag Wind bis weit in den Dienstag rein, dann ab Mittwoch wieder besser. Nun gut, mal sehen.
Als wir 14:30 Uhr am Dock in Mitchell Bay ankamen, standen da schon Dave und Frank, unser Vermieter. Er wiess uns kurz in den Liegeplatz ein mit dem ich super zufrieden war. Dann draengte uns Frank zum Angeln zu fahren um den anstehenden Gezeitenwechsel und spaeteren Sonnenuntergang bei Ententeichbedingungen zu nutzen. Kurz ein paar Sachen aus dem Boot herausgenommen und dann flogen wir ueber das glass-glatte Wasser zur Inselnordseite. Ich hatte nur ein ZIel, und Dave und Ricardo war es recht, mein Happy Place: Black Bluff. Es war eine ca. 40 minuetige Fahrt und ich wollte jede Chance nutzen dahinzukommen, solange der Wind es erlaubte. Als wir ankamen, sah alles so aus wie ich es in Erinnerung hatte – und besser! Wir hatten die Stelle, ja das Meer, soweit wir sehen konnten, fuer uns alleine. Covid machts moeglich! Mit zittrigen Haenden machte ich ein Koederfischsystem klar und liess meine Rute am Downrigger ein. 15 m tief, Dave ging 3 m tiefer und dann zogen wir die erste Bahn dicht vor dem Krautguertel entlang. Nichts. Eine weitere Schleife in der anderen Richtung. Auch nichts. Eine weitere Runde brachte auch keinen Biss. Nanu? Ich zog die naechste Schleife weiter draussen und stellte den Koeder auf 20m tief. Wieder nichts. Black Bluff und Schneider? Das ging nicht, konnte nicht sein. Irgendetwas mussten wir falsch machen.
Ich drehte eine weitere Runde weiter draussen wo es etwa 30m tief war. Hier kamen wir in eine Menge Treibgut mit Grass und Zeug das sich an die Schnuere hing. Ricardo befreite die Schnuere geduldig ein ums andere Mal. Dabei liess er meine Rute bis auf knapp 30 m herab. Ich fuhr dieses Mal weiter am Krautfeld hoch als sonst und wurde von einer Kante etwas ueberrascht. Meine Downriggerblei schlug ploetzlich auf Grund auf und waehrend ich schnell zum Rigger sprang um hochzuholen, loeste die Rute ploetzlich aus dem Clip aus. Mist, hat sich der Koeder schon am Grund festgehakt? Aber da sah ich ein unfreundliches und ungeduldiges Rucken an der Rutenspitze einen Moment bevor die Rutenspitze hart nach unten gerissen wurde. Das war Fisch!
Ich riss die Rute raus und hieb an. Oja, der Haken sank in etwas Schweres. Aber bis auf schwere Kopfstoesse bekam ich keine weitere Rueckmeldung. Was war denn das fuer ein komisches Verhalten? Ich pumpte was die Rute hergab und da wachte nun etwas auf. Es zog mir fast die Rute aus der Hand als der Fisch ploetzlich Fahrt aufnahm. Wow, das war ein starker Fisch. Mit einem Rutsch waren mindestens 50 m Schnur futsch. Als er stehenblieb, wollte ich nun wieder Schnur zurueckgwinnen; veriss’ es, nochmal eine rollenkreischende Flucht von wieder 50m. Mensch, was fuer ein Glueck, dass kein anderes Boot weit und breit da war. Dave und Ricardo hatten mittlerweile die Rigger und andere Rute eingeholt und machten das Boot klar zur Landung. Nun kam mein Fisch auf mich zugeschossen und ich kurbelte bin mein Arm schmerzte. Ricardo half schon mit etwas mehr Gas. Der FIsch blieb noch tief und zog noch paar mal unwilling ein paar Meter Schnur wieder ab. Aber ich merkte, dass ich nun die Oberhand gewann und nach und nach kam der Fisch naeher. Da durchbrach zuerst der Flasher und dann auch eine grosse Schwanzflosse die Oberflaeche. Ja, der war gut. Ob’s zum Tyee reicht?
Wir mussten uns noch ein paar Minuten gedulden und dann kurvte der Bursche das erste Mal dicht am Boot herum. Ein Brocken! Der erste Kescherversuch misslang weil der Fisch nochmal kurz ausbuechste aber der zweite Versuch sass. Ein herrlicher und fetter Chinook lag im Netz. Die grossen wollten wir wieder freilassen und nur die mittleren behalten. Der Schonhaken kam problemlos aus dem Rachen raus und ich hob den Burschen nur kurz fuer ein Foto aus dem Wasser. Dann sausster der vielleicht 26 Pfuender wieder in die Tiefe. Klasse! Black Bluff! Traumstelle – Traumfische! Ricardo hatte dann noch einen harten Biss, der aber nicht haengenblieb. Dann wurde es still.
Da es gegen Abend zuging und wir einen weiten Rueckweg hatten, beschlossen wir bis zum Lizard Point zurueckzuduesen und von dort eine lange Strecke zurueckzuschleppen. Auf der Strecke lagen einige Hot Spots frueherer Trips. Eine Weile passierte nichts ausser ‘ner Menge Signale auf dem Echolot von vielen Futterwolken und Fischsicheln. Die Lachse waren da, zweifellos, aber bissen nicht. Unzaehlige Babylachse von vielleicht 10-15cm sprangen ueberall herum. Gute Aussicht fuer die Zukunft! Wir hoerten Wale irgendwo weiter draussen prusten. Es war lebendig, das Meer. Da ruckte ploetzlich wieder meine Rute los, loeste aber nicht aus. Ricardo sprang hin und ruckte an. Da war kein Grosser aber als der Fisch zweimal hintereinander sich voll aus dem Wasser katapultierte, wussten wir was Ricardo da am Band hatte: einen sportlichen Coho. Als er ihn neben dem Boot hatte, sahen wir die Fettflosse; ein unmarkierten, musste also wieder freigelassen werden. Ein kurzer Schnappschuss mit dem etwa 7-8 Pfuender und dann schwamm er wieder davon. Na also, geht doch. Aber jetzt bitte mal ein Keeper – Dave wurde schon ungeduldig.
Es herrschte eine herrlich ruhige Sonnenuntergangsstimmung. Hier schleppten noch 2-3 andere Boote umher aber sonst herrschte eine herrliche Ruhe. Da! Ein harter Ruck an meiner Rute und die Schnur loeste sofort aus. Ich sprang hin weil Ricardo sich gerade einen Snack in der Kabine holte. Ich setzte den Haken und wusste sofort, hier war wieder was Schweres dran. Da Ricardo unbedingt einen guten Chinookdrill brauchte rief ich ihn her und uebergab die Rute gerade als der Fisch Lunte roch. Die Rolle heulte herrlich auf und ich sah meinen Jungen strahlen. Er hatte so viel Spass an einem wirklich beherzten Drill. Der Fisch nahm zwar nicht ganz so viel Schnur wie meiner zuvor, war dafuer aber unberechenbar – immer wenn Ricardo dachte er koennte mal ein gutes Stueck Schnur einholen, stellte sich der Fisch quer und raste wieder ein kurzes Stueck davon. Dann hing er tief fest und Ricardo brachte ihn kaum von der Stelle und die Rutenspitze vermittelte hammerartige Kopfschlaege. Das war grosschinooktypisch. Dann raste der Fisch ein Stueck hinter dem Boot unter der Oberflaeche entlang und pfluegte das Wasser, Die Bugwelle war enorm, das konnte Ricardo’s neue Bestmarkte werden – die bisherige lag bei 21 Pfund, gefangen vor 8 Jahren – am Black Bluff!
Es ging noch eine Weile hin und her und von der linken auf die rechte Bootsseite. Als er dann neben dem Boot schwamm – aber noch zu tief fuer einen Kescherversuch, erschrak ich. Der war ja noch groesser als meiner! Vielleicht nicht viel laenger aber fett wie ein Schwein. Das konnte ein Tyee werden! Jetzt waren wir alle aufgeregt. Nur keinen Fehler machen! Aber Ricardo machte das prima und bald konnte ich den Kerl einsacken. Was fuer ein Brocken! Wir bewunderten das Tier im Kescher. Toeten wollten wir den nicht – auch nicht wenn wir sonst nur schaetzen konnten wie gross er wirklich war. Wir wollten ihn schnell vermessen was mit dem Massband erstaunlich schnell und problemlos ging: 98.5 cm lang und 63cm Brustumfang – wobei die 63 eher knapp gemessen waren. Laut Tabellen ergab das 30.5 Pfund. Wir erklaerten Ricardo eindeutig zum Tyeefaenger, neues Mitglied eines elitaeren Klubs! Ricardo liess den Tyee neben dem Boot noch ein bisschen Atem wiederfinden bis er ihn bei einem starken Schwanzschlag wieder freiliess. Majestaetisch zog er davon. Jetzt erst klatschten wir uns strahlend und fast ehrfuerchtig staunend ab. So einen mittlerweile sehr seltenen Moment muss man geniessen – der letzte Tyee auf meinem Boot war 8 Jahre her und dieser hier war der erste auf MaxWaldi. Ricardo hatte seine Bestmarke um fast 10 Pfund verbessert. Way to go, son!
Wir schleppten noch ein bisschen weiter aber was sollte denn noch weiter kommen? Wir waren schon am ersten Abend am Gipfel und so packten wir dann doch bald ein. Ich wollte auch nicht erst im Dunkeln am Dock anlegen. Zwar hatten wir noch keinen Fisch in der Truhe aber schon eine herrliche Geschichte und Erinnerung! Was fuer ein Anfang zu unserem 4 taegigen Trip!