Neuauflage: Eine kleine Gute-Nacht-Geschichte

  • Huhu Anglerkollegen,


    Ich möchte euch heute einmal eine Geschichte erzählen. Holt euch am besten einen frischen Kaffee und/oder etwas zu knabbern an den PC. Richtig gemütlich in den Stuhl reinlümmeln, einfach mal zurücklehnen und lesen.


    Meine Geschichte handelt von einem Jungen, dessen Leben sich nach der Begegnung mit einem kleinen Fisch komplett geändert hat.


    Der Junge, von dem ich euch erzählen möchte war 14 Jahre alt und lebte in einem kleinen Dorf, welches heute nicht mehr ist. Jeder im Dorf kannte den Jungen gut, denn sein Vater war ein wichtiger Mann, er arbeitete im Stadtrat einer Kleinstadt, nur ein paar Kilometer von unserem Dorf entfernt. Seine Mutter war Lehrerin und übte ihren Beruf an der örtlichen Grundschule aus, wo die kleine Schwester des Jungen die zweite Klasse besuchte.


    Jeden Abend, wenn der Vater nach Hause kam fand er seinen Sohn entweder vor dem Fernseher oder dem Computer vor und jeden Abend fragte er ihn erneut, ob er nichts besseres zu tun hätte z.B. für die Schule zu lernen oder wenigstens einem Hobby nachzugehen. Der Junge gab daraufhin immer die gleiche Antwort, er hätte einfach keine Lust, sich geistig oder gar körperlich anzustrengen. Bei dem Angebot, einfach einmal ein bisschen raus zu gehen, konterte er meistens mit angeblich schlechten Wetterverhältnissen. Die Mutter des Jungen sah diesem Treiben Abend für Abend erneut zu. Sie war es ebenfalls Leid, ihren Sohn jeden Tag erneut aufzufordern, doch an die frische Luft zu gehen oder wenigstens etwas sinnvolles zu tun.


    Und so kam es eines Tages, dass der Junge -mal wieder- von seiner Mutter zu einem Spaziergang überredet wurde. Er entschied sich einem Trampelpfad im nahegelegenen Wald nachzugehen. Er schlenderte gerade über eine Lichtung, als...


    *Knacks*, ein bisschen erschrocken schaute der Junge nach unten, er war auf etwas längliches, schwarz schimmerndes gestiegen. Er bügte sich und hob es behutsam auf, es war eine alte Angel, welche schon eine kleine Moosschicht besaß. Er wusste wie eine Angel aussah, denn er ging oft zu dem kleinen Dorfteich, wenn seine Mutter ihn mal wieder bei brüllend heißer Mittagssonne zu einem Spaziergang gezwungen hatte. „Aber wie kommt die den mitten in den Wald?“, fragte sich der Junge.


    Der kleine Teich war oft von Anglern besetzt. Diesen hatte der Junge oft zugesehen, wie sie ihre Köder immer und immer wieder in den Teich warfen und sie wieder einholten, nur um sie wieder auszuwerfen oder wie sie einfach nur dasaßen und stundenlang warteten, als gäbe es für sie nichts anderes auf der Welt. Der Junge empfand das immer als total idiotisch. Doch nun hielt er eine solche Angel selber in der Hand und dieses Gefühl weckte Neugier in ihm. Seine Mutter hatte ihm doch eh gesagt, vor fünf Uhr solle er sich nicht wieder Zuhause blicken lassen, dachte er sich und seine Digitaluhr zeigte gerade einmal halb zwei Uhr an.


    Und so kam es, dass der Junge zum Dorfteich schlenderte.


    Als er dort ankam fand er bereits einen Angler vor, welcher ihn freundlich grüßte und danach sofort auf die Angel in seiner Hand zu sprechen kam. "Die ist ja angebrochen!", bemerkte er und fragte sich innerlich was der Junge damit wohl noch fangen wolle. "Wird schon noch funktionieren, hätten Sie vielleicht ein bisschen Angelschnur und einen Haken für mich?", antwortete und fragte der Junge zugleich. Woraufhin der Angler schmunzelte, ein Messer aus seinem Angelkoffer zog, knapp zwei Meter Schnur von seiner Rolle abschnitt und ihm diese zusammen mit einem etwas angerosteten Angelhaken überreichte. Der Junge bedanke sich höflich und der Angler drehte sich wieder seinen eigenen Gerten zu.


    „Das ist einer dieser verrückten Angler, die bei eisiger Kälte, peitschendem Wind oder prasselndem Regen am See sitzen, ohne Fisch nach Hause gehen und trotzdem am nächsten Tag wiederkommen“, dachte sich der Junge. Einige Sekunden lang versuchte er einen Grund für dieses Verhalten zu finden, schüttelte jedoch dann demonstrativ den Kopf und begab sich auf den Weg zur andere Seite des Teiches.


    Er passierte ein Seerosenfeld und einen langen Schilfgürtel, welcher einfach kein Ende nehmen wollte. Schließlich fand er eine offene Stelle. Sie befand sich ungefähr schräg gegenüber des verrückten Anglers und südlich einiger Äste, die aus dem Wasser ragten. Hier wollte er sein Glück versuchen.


    Mit gemäßigter Vorfreude knotete er das eine Schnurrende an die Spitze der Angelrute und das andere Ende an den Angelhaken. „Hmm, dann lass mal überlegen: Rute hab ich, Schnur hab ich, Haken hab ich – Ein Köder fehlt mir noch!“. Er fing an in seinem Rucksack zu kramen und suchte das mit Salami belegte Vollkornbrot, dass ihm seine Mutter mitgegeben hatte. Er fand es, brach ein Stück ab, tauchte es ins Wasser und knetete es um den Haken. Völlig unmotiviert nahm er die Angel in die Hand und schaukelte den Haken mit dem Brotköder vor und zurück. Dreimal wiederholte er diesen Vorgang und senkte beim dritten Mal, als die Schnur nach vorne gestreckt auf das Wasser zeigte, die Angelspitze. Der Ring auf der Wasseroberfläche signalisierte ihm, dass sein Köder nun ausgelegt war. „Darauf fällt doch kein Fisch der Welt rein“, dachte er sich, setzte sich ins Gras und stützte die Angel neben sich auf einen Stein ab.


    Minuten vergingen, in denen er die schöne Landschaft um sich herum bewunderte.


    "Ne, keinen Bock mehr, war ne dumme Idee", mit diesen Worten nahm er die Angel in die Hand. Er wollte gerade den Köder aus dem Wasser heben, da spürte er in der Rutenspitze ein Zucken. Nun war er auf einmal hellwach, seine Hände umklammerten den Rutengriff fester. Doch so plötzlich wie das Zupfen gekommen war, so schnell war es auch schon wieder weg. Nach einer 30-sekündigen Wartezeit entschied sich der Junge, den Köder zu begutachten, um festzustellen ob es nun ein Fisch oder doch nur ein dummer Ast gewesen ist.


    Doch kurz bevor er seine Rute anheben konnte, zuckte es erneut in der Rutenspitze und diesmal nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander! Er hob die Rute an und gleichzeitig auch einen kleinen Fisch aus seinem Element. Er war überglücklich und so unglaublich stolz auf seinen Fang, dass er zugleich einen Bauchtanz aufführte und parallel dazu ein lautes „Juhu!“ über seine Lippen glitt. Nach diesen akustischen und akrobatischen Freudeausdrücken fasste er den Fisch ganz behutsam an und drehte den Haken vorsichtig aus dem kleinen Fischmaul.


    Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es schon eine halbe Stunde nach 5 war. Deshalb entschloss er sich den Heimweg anzutreten.


    Als er Zuhause ankam, hatte seine Mutter schon das Abendessen hergerichtet. Der Abend nahm ein schnelles Ende und müde sagte er seinen Eltern gute Nacht. Aus irgendeinem Grund war ihm an diesem Abend nicht nach Fernsehen, auch sein Computer blieb an diesen Abend –ungewohnt- kalt. Er verspürte an diesem Abend einfach keine Lust auf Unterhaltung im Bitformat. Also legte er sich in sein Bett und versuchte einzuschlafen.


    Doch es gelang ihm nicht, immer und immer wieder musste er an den kleinen Fisch denken. Aber warum nur? Es war doch ein Winzling, ein Babyfisch gewesen, kaum größer als ein Zeigefinger. Er drehte sich nochmals herum und dachte an das Zappeln in der Rute und den Stolz den er empfand als er den Fisch aus dem Wasser gehoben hatte.


    Plötzlich war ihm alles egal: ob Hitze, Kälte, Schnee oder Regen, -4 oder +40 Grad Celsius, er wollte nur eins: Angeln!, Angeln bei Tag und Nacht, in jeder Stunde, in jeder Minute, in jeder Sekunde, die der Tag von sich gab.


    Könnt ihr euch vorstellen wie diese Geschichte ausgeht?
    Richtig! Der Junge stand am nächsten Morgen ganz früh auf, stürzte ohne zu frühstücken aus dem Haus, nahm alles Brot mit was er im Haus finden konnte und eilte zum Dorfteich. Er fing weitere Fische, er absolvierte die Fischerprüfung, er kaufte sich weitere Angeln, Haken und Zubehör. Er wurde ein fanatischer Angler.


    Ungefähr 23 Jahre nach seinem ersten Angelerlebnis saß er wiedereinmal an dem selben Dorfteich und angelte. Der „Junge“ war mittlerweile 37 Jahre alt, hatte eine liebevolle Frau und zwei Kinder, zwei Mädchen, welche sich auch für die Angelei interessierten. Es war ein schöner Sommertag und die Sonne gab ihr bestes, um das Wasser auf Badewannentemperatur aufzuwärmen. Als er so dasaß und auf seine Ruten schaute, näherte sich von hinten ein älterer Mann, der ein weißes T-Shirt und eine kurze, hellblaue Hose trug. Der alte Mann grüßte ihn freundlich und fragte daraufhin: „und, gehst du immer noch auf dem alten Trampelpfad im Wald spazieren?“, „Gelegentlich schon, wieso fragst du, Vater?“



    Ende


    Anhang:


    Ich habe diesem Jungen absichtlich keinen Namen gegeben, weil es sich hier nicht um eine einzelne Person handelt. In jedem, der sich wie ich in diesem Augenblick wünscht mit einer Angel an einem Dorfteich zu sitzen, wohnt dieser Junge. Es muss auch nicht unbedingt ein See sein. Diese Gewässerart habe ich nur gewählt, weil es meine favorisierte ist. Ich kenne auch Fliegenfischer die diesen Jungen in sich tragen, der ihnen jedes Wochenende befiehlt zum angeln zu gehen und sie nie genug davon kriegen lässt.


    In diesem Sinne: Lasst euren Jungen angeln :!:

  • Zitat

    In diesem Sinne: Lasst euren Jungen angeln


    ... und eure Töchter auch.
    Ich werde mein 4-jähriges Mädel in der nächsten Saison jedenfalls wieder oft mit ans Wasser nehmen.
    Neulich hat sie mich nämlich gefragt, ob sie mit ihrer kleinen Köderfisch-Stippe, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt habe, "auch mal einen großen Fisch fangen kann."
    Ich denke, dass sie bald mit einer Rute mit Rolle umgehen wird.

  • @ Reverend


    Tue`s nicht!!! :shock:


    Sonst gehts Dir irgendwann mal wie mir.


    Wenn Du ohne Dein Kind ans Wasser kommst und Du gefragt wirst, ob Du heute lieber allein angeln gehst damit Du auch mal was fängst. :? ;)


    Gruß,
    Peter

  • Letzten Sommer hatte meine kleine Tochter (sie wollte ja unbedingt einen Wurm am Haken!) mit ihrem Haselnuss-Steckerl den größten von insgesamt vier Bratbarschen erwischt...
    Musste ihr natürlich helfen, den knapp 30 cm langen Burschen zu landen.


    Und wenn sie beim Forellen-Spinnen mit dabei war, bin ich noch nie Schneider heimgegangen. Mindestens eine Forelle haben wir gekriegt.

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